Sensation am Neuwerk Sensation am Neuwerk: Archäologen entdecken Überreste der verschollenen Klosterkirche

Halle (Saale) - Einen Sensationsfund haben Archäologen auf dem Areal des Botanischen Gartens Halle zutage gefördert: Bei den von Juli bis September 2019 laufenden und im März wieder aufgenommenen Grabungsarbeiten für den Bau eines neuen Herbariums sind die Archäologen jetzt überraschend auf die Grundmauern einer Kirche gestoßen - der Kirche des Klosters Neuwerk. Deren Standort galt bisher als verschollen - man vermutete die Kirche des 1116 gegründeten Augustinerklosters näher an der Saale.
In topographisch exklusiver Lage zwischen Halle und Giebichenstein haben vermutlich Augustinerchorherren aus dem Kloster Reichersberg, das zur Diözese Passau gehörte, auf einem Bergsporn oberhalb der Saale im Jahr 1116 das Kloster Neuwerk gegründet, Kirchenweihe war 1124. Bereits 1121 war das Augustiner-Chorherrenstift zum Neuen Werk mit Privilegien in Form von Markt- und Zollrechten ausgestattet und verfügte über umfangreichen Besitz an Land (31 Dörfer), Mühlen - wie die nahe gelegene Steinmühle - und Pfarrrechten. Mit dem Bau des Klosters verbunden war eine Ansiedlung von Tagelöhnern und Handwerkern, die als Nova Villa in die Geschichte einging. Nach 1194 erhielt die Siedlung die neben der Klosterkirche gelegene Pfarrkirche St. Laurentius. Der Ort entwickelte sich aufgrund der günstigen Lage an der Handelsstraße nach Magdeburg zu einer vorstädtischen Siedlung und zur späteren Amtsstadt Neumarkt.
Das überaus reiche Kloster Neuwerk verfiel 1520 mit dem Bau des „Neuen Stifts“ durch Kardinal Albrecht in Bedeutungslosigkeit und wurde später vom Kardinal abgerissen. Teile des Klosters, darunter ein Portal und Säulen, wurden in der Neuen Residenz des Kardinals verbaut.
Archäologen entdecken Überreste der verschollenen Klosterkirche
Auf der etwa 400 Quadratmeter großen Grabungsfläche direkt neben dem Rive-Haus sind bei den Arbeiten unter Abbruchschichten des 16. Jahrhunderts einzelne halbrund angeordnete Steine eines Fundaments aufgetaucht - diese ließen die südliche Seitenapsis und die Hauptapsis eines großen Kirchengebäudes erkennen.
„Wir konnten sie zweifelsfrei als die letzten verbliebenen Spuren der Kirche des Klosters Neuwerk identifizieren“, so Alfred Reichenberger, stellvertretender Landesarchäologe und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie.
Das Kloster war über 400 Jahre bis zu seinem Niedergang in der Reformationszeit das mächtigste im Süden des Erzbistums Magdeburg. „Für Halles Kirchen- und Stadtgeschichte war die Klosterkirche äußerst bedeutend, von hier aus wurde die Christianisierung vorangetrieben“, so Andreas Strahl vom Landesamt für Denkmalpflege.
Skelettteile von 117 Menschen, Münzen, Gefäße und Bleitäfelchen
Der genaue Standort der Kirche war in Vergessenheit geraten, nachdem Kardinal Albrecht 1529 mit der Gründung des „Neuen Stifts“ das Kloster Neuwerk gegen den heftigen Widerstand der letzten Klosterbrüder geschlossen und dessen Abriss verfügt hatte. Neben den Grundmauern zur Kirche, deren Ausmaße laut Projektleiterin Caroline Schulz noch unklar seien, wurden von den Archäologen Funde ausgegraben, die bis in die Späte Bronze- und Frühe Eisenzeit reichen.
Darunter Skelettteile von 117 Menschen, Münzen, Gefäße und Bleitäfelchen. Pfosten und Siedlungsgruben sowie Keramiken sprechen dafür, dass sich vor der Gründung des Klosters an dieser Stelle eine dörfliche Ansiedlung von Salzwirkern befunden hat. Insgesamt hoben die Archäologen knapp 30.000 Funde, die nun systematisiert werden. (mz)
