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Schreibkreise der Schöpfkelle Schreibkreise der Schöpfkelle: Nichtgemaltes von van Gogh

Von Simone Voigtländer 30.10.2001, 20:09

Halle/MZ. - Selten erfährt ein Maler, was Betrachter über seine Bilder denken. Der hallesche Künstler Gerd Weickardt hatte jetzt das seltene Glück, sogar ganze Gedichte und Geschichten zu hören, die zuvor eigens zu seinen verfasst worden waren.

In einer Ausstellung des soziokulturellen Zentrums "Schöpfkelle" in der Silberhöhe sind seit September einige seiner Bilder zu sehen. Unter den vielen Gruppen, die sich in der Schöpfkelle treffen, sind auch zwei Schreibkreise. Beide werden von der Schriftstellerin und derzeitigen Stadtschreiberin Christina Seidel betreut. Die Kinder und Jugendlichen vom "Schreibring" fühlten sich von Weickardts farbkräftigen Gemälden angezogen und es entstand die Idee, Texte nach den Bildern zu schreiben.

Aber auch die viel älteren Mitglieder des Zirkels "Lesen, Schreiben und Erzählen" und der Haiku-Gruppe fühlten sich von den Bildern angeregt. So entstand eine generationsübergreifende Rezeption der ausgestellten Weickardtschen Werke, deren Ergebnis den Maler sehr überraschte. Allein zu seinem Bild "Eiszeit" hatten sich drei der Schreibenden Gedanken gemacht.

Auf dem Bild liegt ein Vogel im Schnee. Die 16-jährige Monique Hähre dichtete dem "Amselmännchen" eine Partnerin an, die von einem Vogelhasser mit der Schrotflinte erschossen worden ist. Auch Christa Beau konfrontiert den "Spatzen", wie die 52-jährige den Vogel bezeichnet, mit dem Hass der Menschen. Ein Haiku dichtete die Seniorin der Schreibgruppe Johanna Klinghofer. Bei der aus Japan kommenden Gedichtform wird in 17 Silben ein poetisches Bild entworfen.

In einem Gespräch mit den jungen und älteren Schreibenden bekannte Gerd Weickardt seine Vorliebe für den holländischen Maler van Gogh. Eines seiner in der Schöpfkelle ausgestellten Bilder heißt dann auch in Verehrung für das Vorbild: "Die nicht gemalten von Vincent". Der 13-jährige Dietmar Grimm griff die Sonnenblumen literarisch auf und ließ sie sich mit ihren Artgenossen aus Plaste unterhalten.

"Katzenalarm" gibt es im Mauseloch, denn Katze Rudi steht vor der Tür. Diesen phantasievollen Anfang und eine überraschende Pointe ließ sich Katja Wehrlich einfallen. Das dazugehörige Weickardt-Bild heißt "Katzenporträt". Diese und einige andere der "Bildergeschichten" werden im Dezember im nächsten "Teekessel", einer sporadisch erscheinenden Publikation des halleschen Kinder-Jugend-Schreibrings erscheinen.

Aber der Maler durfte "seine" Geschichten schon mit nach Hause nehmen. Als Dankeschön bekamen die Schreiber Kataloge von Gerd Weickardt.

Die Ausstellung ist in der Schöpfkelle noch bis Ende November zu sehen.