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Saalekreis Saalekreis: Ritterschlag an mystischem Ort

Von JAN MÖBIUS 05.10.2011, 20:01

WETTIN-LÖBEJÜN/MZ. - Sagenumwoben, mystisch, im Mittelalter reich und mächtig, gleichsam gefürchtet und geachtet - die Tempelritter sind für viele Historiker auch heute noch eine der faszinierendsten Ordensgemeinschaften, die es in Europa je gegeben hat. Vielleicht stammt diese Begeisterung für die wechselhafte Geschichte der Herren in ihren weißen Mänteln und dem ins Auge stechenden roten Kreuz ja genau daher, dass auch mehr als 800 Jahre nach der Gründung der Vereinigung nicht alle Fragen um Aufstieg, Untergang und Rückkehr der Tempelritter geklärt werden konnten. Einer der wenigen Orte, der dafür in Deutschland noch Anhaltspunkte liefern könnte, aber ebenso wie der Orden selbst viele Geheimnisse hütet, ist die Templerkapelle in Mücheln.

Ritter wollten Pilger schützen

Wenngleich es den Ritterorden - während der Zeit der Kreuzzüge gegründet, um christliche Pilger im Heiligen Land zu schützen - in seinem Ursprung nicht mehr gibt, wird seine Tradition seit Jahrhunderten gepflegt. Diese Aufgabe übernehmen heute zumeist Vereine. Alte Riten leben so auch in der Kapelle in Mücheln wieder auf; das frühgotische Kleinod ist um 1280 erbaut worden. Heute ist sie die einzige in Deutschland noch erhaltene Templerkapelle.

Kein Wunder also, dass sich der "Ritterorden Christi vom Tempel zu Jerusalem", der als Verein die Ordenskultur mit allen Sitten und Bräuchen pflegt, genau diesen Ort für eine Investitur - den Ritterschlag - ausgesucht hat. Das Ritual, das ebenso alt ist wie die Geschichte des Ordens, wird Freitag um 18 Uhr in Mücheln abgehalten - neue Mitglieder werden zum Ritter geschlagen und Novizen sowie Knappen in diesen Laien-Ritterorden aufgenommen. Wie viele es sein werden, das war von den Templern noch nicht zu erfahren. Nur soviel: Aus Sachsen-Anhalt ist ein Magdeburger darunter.

Mitglieder können nur praktizierende Christen werden; sie dürfen weder einer Sekte, einer Freimaurerloge oder einem Geheimbund angehören. Wer aufgenommen wird, entscheidet die Ordensleitung. In ganz Deutschland hat der Orden etwa 150 Mitglieder, im Raum Mitteldeutschland nicht viel mehr als ein Dutzend. Meist sind es religionsgeschichtlich Interessierte, viele haben eine akademische Ausbildung, andere aber auch nicht. Leisten kann sich die Mitgliedschaft aber wohl nicht jeder - die Beiträge sind erheblich. Die Templer unterstützen Einrichtungen der Jugend- und Altenpflege, helfen Christen im Nahen Osten und wollen die Versöhnung der christlichen Kirchen fördern. In Sachen-Anhalt setzen sie sich für den Erhalt der Müchelner Kapelle ein.

Historischer Termin

Der Termin für den Ritterschlag von Mücheln könnte passender nicht sein. Denn vor genau 700 Jahren, im Oktober 1311, begann im Auftrag des damaligen Papstes Clemens V. ein bis heute umstrittenes Verbotsverfahren gegen die Tempelritter. Der Orden wurde am 6. Mai 1312 aufgelöst und sein Besitz an den Johanniterorden gegeben. Ob das auch auf die Templerkapelle in Mücheln zutrifft, ist bis heute nicht vollständig überliefert. Wohl aber der Grund, warum die turmlose Saalkirche mit einer Fläche von nur sechs mal 14,5 Metern in ihrer ursprünglichen Architektur erhalten geblieben ist: Fast 600 Jahre wurde der Bau als Speicher und Scheune genutzt. Als der Verfall drohte, begann in den 1950er Jahren die Rettung der erst 1984 zum Denkmal ernannten Kapelle. Diesem Umstand verdanken es offenbar die Tempelritter, dass sie "ihren" geschichtsträchtigen Ort noch immer für die Pflege historischer Rituale nutzen können.