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Rüdiger Giebler und Moritz Götze aus Halle Rüdiger Giebler und Moritz Götze aus Halle: Anhalts Prinzen an der Saar

Von Andreas Montag 18.04.2016, 05:24
Moritz Götze: „Schwarz, Rot, Gold“ (2015; © VG Bildkunst, Bonn)
Moritz Götze: „Schwarz, Rot, Gold“ (2015; © VG Bildkunst, Bonn) KLAUS E. GÖLTZ/MARKUS WERNER

Saarbrücken/Halle (Saale) - Am Abend, als sich die fidele Gästeschar in der K4 - Galerie für zeitgenössische Kunst dann doch verlaufen hat, kehrt der harte Kern um den liebenswürdigen Kunst-Gastgeber Werner Deller und die beiden halleschen Maler Rüdiger Giebler und Moritz Götze noch in der Wurstwirtschaft der Gebrüder Kalinski in der Saarbrücker Innenstadt ein. Er falle gleich vom Fleisch, hatte Götze zuvor gemeldet, dazu sollte es natürlich nicht kommen.

Besagtes Lokal ist nicht nur wegen seiner zivilen Preise eine gute Adresse - von einem Burger-Laden zu sprechen, wäre glatt eine Beleidigung. „Pulled Pork“ wird der Hit der Karte genannt, „feines Schweinenackenfleisch, 16 Stunden im Smoker gegart und anschließend gezupft. Im feinen Brötchen mit Salat, Zwiebeln und BBQ Sauce serviert“, verheißt die Karte. Und spricht von einem „Traum“. Nicht zu Unrecht. Und die kleine Freitagabendgesellschaft ist, wie gewollt, bester Dinge.

Die Geschichte erzählt vom Ende her über eine gelungene Unternehmung in Sachen Kunst-Export, bei der nicht zuletzt auch Marketing für Sachsen-Anhalt gemacht wird. Während sich in Magdeburg die Verhandlungspartner der künftigen Koalition für eine lange Sitzung stärken, bei der das Vernunftbündnis von CDU, SPD und Grünen geschmiedet werden soll, haben sich in der Saarbrücker Karlstraße Kunstfreunde eingefunden, die mehrheitlich wohl noch nichts mit dem Land der Frühaufsteher zu tun hatten, aber neugierig auf Giebler und Götze sind.

Außerdem vertrauen sie dem Geschmack von Werner Deller, der Informatiker wurde (und es dann jahrelang mit Leidenschaft wie wirtschaftlichem Erfolg war), weil er etwas „Richtiges“ lernen sollte - also nichts mit Kunst. Die hat er sich für sein Leben nach der Datenverarbeitung aufgehoben. Neben dem Betrieb seiner Galerie baut er seit Jahren eine Baumwollspinnerei aus Gründerzeiten im benachbarten St. Ingbert zum Kulturzentrum aus.

Rüdiger Giebler und Moritz Götze indes, das höchst ungleiche, aber unzertrennliche Malerfreundespaar, macht nun mit seiner „Grand Tour“ genannten Kunstweltreise nach dem Start in Brüssel und einer Schau in Karlsruhe Station in Saarbrücken. Demnächst geht es weiter nach London, Neuseeland, in die USA.

Das klingt ein bisschen nach Größenwahn, verfolgt neben der Eigenwerbung, die man als Produzent selbstverständlich betreiben darf, aber auch den uneigennützigen Zweck, das Bindestrichland aus dem rätselhaften Osten im tiefen Westen ein bisschen bekannter - und, verdientermaßen, charmanter erscheinen zu lassen.

Die beiden, Giebler wie Götze, lieben ihr Halle und namentlich auch das Anhalt des Fürsten Franz. So lässt Giebler seine ebenso kluge wie launige Eröffnungsrede (sie sollte allein schon wegen ihrer pointierten Kürze als offizieller Maßstab eingeführt werden) denn auch in dem Ausruf gipfeln, Götze und er selber seien quasi als Botschafter des anhaltinischen Glücksversprechens unterwegs. Das klingt heiter, ist aber eben auch durchaus ernst gemeint. Neben dem Lob des Fürsten, dessen Gartenreich (das ja auch und vor allem ein aufklärerisches Gedankenreich war) zu besuchen die Saarbrücker aufgefordert werden, gibt es auch gute Worte für den Weltreisenden Johann Reinhold Forster, der in Halle starb, und den großen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner, der vor 100 Jahren nur kurz in Halle war - obendrein als Soldat, der auf dem Schlachtfeld kämpfen sollte, aber psychisch krank wurde. „Mir erscheint es das Normalste, in einem solchen Weltkrieg verrückt zu werden“, stellt Giebler bündig fest.

Er selber, sagt er, lausche dem letzten Echo des Expressionismus nach. So malt er mit meisterlicher Hingabe seine Bilder. Kühn und diszipliniert zugleich, scheinen sie auf den ersten Blick so gar nichts zu tun zu haben mit dem oft verspielt wirkenden, jedenfalls aber spielerischen, faszinierenden Märchen-Realismus von Götze.

Und doch sprechen die Arbeiten miteinander, nicht allein durch ihre Farbigkeit. Wo Götze die Oberflächen im Ganzen lässt, aber solch merkwürdige, die Harmonie aufbrechende Dinge malt wie riesige Figuren in Puppenstubenlandschaften, nimmt Giebler das Ganze strukturell auseinander und prägt Figuren wie Formen nach seinem Strich. Und das Auge des Betrachters? Es wandert staunend hin und her, im Hintergrund wird man dabei sogar das Raunen der Saale, der Elbe und der Mulde hören können, nicht unähnlich dem der Saar.

Überhaupt ist diesen Landschaften einiges gemein - das fiktive, von Thomas Mann erdachte und von Giebler/Götze für ihre „Grand Tour“ umgewidmete „Kaisersaschern“ im geschichtsträchtigen Mitteldeutschland und das multikulturelle, herzenswarme Saarland. Die großen Zeiten der Industrie haben beide hinter sich. Und was noch kommen kann, hängt stark von der Lebensart der Menschen ab und von ihrer Genussfähigkeit - mithin auch von ihrem Kunstverstand. Insofern machen Giebler und Götze, die einst selbst ernannten Prinzen Anhalts, mit ihrem kecken Ausritt alles richtig. Und eben nicht nur für sich. (mz)