1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. "Irgendwann macht der Körper nicht mehr mit": Rico Freimuth vor Karriereende? "Irgendwann macht Körper nicht mehr mit"

"Irgendwann macht der Körper nicht mehr mit" Rico Freimuth vor Karriereende? "Irgendwann macht Körper nicht mehr mit"

Von Christoph Karpe 20.06.2019, 09:52
Beim Meeting in Götzis absolvierte Rico Freimuth noch das Kugelstoßen - dann stieg er aus dem Wettkampf aus.
Beim Meeting in Götzis absolvierte Rico Freimuth noch das Kugelstoßen - dann stieg er aus dem Wettkampf aus. Imago/Gepa pictures

Halle (Saale) - Insider hatten mit dieser betrüblichen Nachricht längst gerechnet. Nun machte es Rico Freimuth offiziell. Via des sozialen Netzwerkes Instagram sendete der Zehnkampf-Vizeweltmeister am Mittwoch sein Saison-Aus. Weil er verletzt ist. Mehr Worte brauche es nicht, schrieb der 31-Jährige noch zu dem Foto, das ihn am Boden zeigt.

Wenig später sprach er dann doch und erläuterte seinen Entschluss. „Bei Sprüngen und beim Werfen habe ich Schmerzen im Rücken. Das kann ich gerade gar nicht trainieren, weil da so große Kräfte auf den Körper wirken. Nur Läufe gehen. Aber so hat es keinen Zweck“, sagte der Star des SV Halle.

Am übernächsten Wochenende geht in Ratingen die entscheidende Qualifikation der deutschen Mehrkämpfer für die diesjährige Weltmeisterschaft in Doha (ab Ende September) über die Bühne. Freimuth ahnte längst: Dort werde er nicht starten können, weil er nicht fit ist. Den Wettkampf mit Schmerzen anzugehen - sinnlos. Deshalb das Stoppzeichen. „Es war leider abzusehen“, sagte er.

Rico Freimuth verletzt: Aufgabe schon in Götzis

Zur ersten Qualifikationschance Ende Mai beim Traditionsmeeting im österreichischen Götzis war er schon angeschlagen angereist. Der Rücken spielte einfach nicht mit. Eine lädierte Bandscheibe hatte ihn schon zuvor im Training gestoppt. Freimuth startete trotzdem in Götzis und gab nach drei mäßigen Wettbewerben - 100 Meter: 10,74 Sekunden, Weitsprung: 6,99 Meter, Kugelstoßen: 13,19 Meter - auf. „Ich habe seit Jahren einen Gleitwirbel, der drückt auf die Bandscheibe“, erzählte er danach von seinem mittlerweile chronischen Problem (seit 2013).

Dies in den Griff zu bekommen, fällt mittlerweile immer schwerer. „Stück für Stück zollt mein Körper den vielen Jahren Leistungssport Tribut“, sagte der 31-Jährige, der zwischen 2011 bis 2017 alle internationalen Höhepunkte bestritten hat. Mit zwei herausragenden Ergebnissen: 2015 erfüllte er sich mit Bronze den großen Traum von einer WM-Einzelmedaille. 2017 toppte er diesen riesigen Erfolg mit WM-Silber in London hinter dem Franzosen Kevin Meyer (Frankreich). Freimuths Bestleistung steht bei 8.663 Punkten.

Nun sagte Rico Freimuth: „Irgendwann macht der Körper nicht mehr mit.“ Im letzten Jahr hatte er in einer Motivations-Talsohle gesteckt. Auch 2018 hatte er in Götzis aufgegeben - da am zweiten Tag des Zehnkampf-Wettbewerbs - und dies mit mentaler Erschöpfung begründet. Er wollte sich neu sammeln, neuen Spaß an seinem Sport finden. Die EM im Vorjahr erschien ihm nicht als so lohnenswertes Ziel, um sich dafür zu schinden.

Hoffnung im Trainingslager

Die Pause tat gut. Er schaltete ab, trieb sein Studium voran, der Spaß kam zurück. Eine dritte WM-Medaille in Folge zu erobern - zwei in Serie hatten in der deutschen Zehnkampf-Geschichte sowieso nur Siggi Wentz in den 1980er Jahren (Bronze 1983 und Silber 87) und er selbst geschafft - schien ihm lohnenswert.

Im Trainingslager in Südafrika erzielte Rico Freimuth Top-Ergebnisse. „Da bin ich die 400 Meter so schnell wie noch nie in meiner Karriere während eines Trainings gerannt“, erzählte er. Doch das Comeback geriet schließlich doch zum Debakel - inklusive der jetzigen Absage. „Ich hatte jetzt zwei nicht ganz so geile Jahre“, sagte er nun ernüchtert.

In der Konsequenz der wenig erbaulichen Ereignisse ergibt sich die Sorge, ob Rico Freimuth sein letztes Ziel, ein Start bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio inklusive Medaillengewinn, überhaupt noch erreichen kann. Inzwischen erscheint Tokio als Fata Morgana. Die Hoffnung, dass er dann mit 32 Jahren und all den Zipperlein noch einmal in konkurrenzfähige Form kommt, erscheint höchst vage.

Rico Freimuth vor Karriereende? „Tokio soll mein Finale werden“

Der neue Zehnkampf-Bundestrainer Christopher Hallmann hatte am Freitag vergangener Woche mit Freimuth telefoniert. Da kündigte der Athlet sein Saison-Aus an. „Mir tut es unheimlich leid für Rico. Ich weiß, wieviel Training und Herzblut er in den letzten Jahren in den Sport investiert hat. Und insgesamt ist sein Aus für den Zehnkampf schade“, sagte Hallmann. „Aber er musste die Reißleine ziehen.“

Wie es nun mit Rico Freimuth und seiner Karriere als Zehnkämpfer weitergeht, da wagte der Bundestrainer zu diesem Zeitpunkt natürlich keine Prognose. „Oberste Priorität hat die Gesundheit. Rico hat seinen Körper über die Jahre ausgequetscht, und Leistungssport ist nun mal kein Gesundheitssport“, so Hallmann und schob den Nachsatz hinterher: „Wichtig ist, dass keine Spätfolgen bleiben.“ Aber er weiß Freimuth „in einem guten Team in guter Behandlung“. Wie Halles Trainer und Funktionäre den Sorgenfall Freimuth sehen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Sie reagierten auf Anrufe nicht.

Freimuth gibt sich derweil bei aller Enttäuschung entschlossen. „Ich habe noch ein Jahr Zeit. Ich gebe nicht auf. Tokio soll mein Finale werden“, sagte der Mann vom SV Halle. Jetzt nimmt er sich erst einmal raus aus seinem Leistungssport-Programm. „Ich werde weiter etwas Kraft- und Lauftraining machen, um mich fit zu halten.“

In der Reha und mit Hilfe eines Chiropraktikers wird er versuchen, seinen kaputten Rücken in eine halbwegs haltbare Form zu bringen. Um dann ab Herbst noch einmal anzugreifen. Ein letztes Mal, für ein letztes Hurra. Noch ist die Hoffnung nicht vollkommen gestorben. Aber groß ist sie auch nicht. (mz)

So kündigte Freimuth sein Saison-Aus bei Instagram an.
So kündigte Freimuth sein Saison-Aus bei Instagram an.
Freimuth