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Richard Brunner Richard Brunner: Ein Heldentenor aus Amerika

Von Detlef Färber 19.10.2001, 19:33

Halle/MZ. - Tiefer hinunter geht es nicht: "Gott, welch Dunkel hier", seufzt Florestan - Häftling im Zuchthaus von Sevilla -, den ein abgefeimter Bösewicht in den untersten Kerker geworfen hat, um ihn demnächst still und heimlich um die Ecke zu bringen. Doch, wo die Not am größten, ist Hilfe bekanntlich am nächsten. Dass letztlich die Liebe die Kerkertüren öffnet, dieses Wunder - angereichert mit dem romantischen Geist der Zeit nach der großen französischen Revolution - setzt Beethovens einzige Oper "Fidelio" in mitreißende Melodien um. Das Opernhaus feiert mit ihr nächsten Freitag Premiere.

Die Rolle des Todgeweihten, von Fiebervisionen der Freiheit geschüttelten Florestan, gibt mit Richard Brunner fast schon ein Stammgast des Hauses. Erst kürzlich war der in Leipzig wohnende Amerikaner aus Ohio beim Opernball der Überraschungsgast des Mitternachtsprogramms. Doch nachdem der einst auch im Musical-Gesang geschulte Heldentenor dort in Broadway-Manier brilliert hatte, steht er nun wieder mit beiden Beinen fest auf dem musikalischen Boden der Oper.

Denn die so leicht klingenden Gesangspartien von Fidelio fordern den Sängern aus Brunners Sicht sehr viel ab. Beethoven habe - so, als komponiere er für Instrumente - lange Reihen hoher Töne fabriziert, die den Sängern manchmal keine Chance ließen, bei ein paar tiefen Tönen neue Kraft zu tanken. Aber genau solche Herausforderungen liebt Brunner.

Die Lust, Schwierigstes zu meistern, liegt ihm sozusagen im Blut. Hat er doch neben amerikanischem Pioniergeist auch eine Portion bayerischer Dickschädeligkeit im Erbmaterial. Das stammt von Brunners Großvater, einem Holzbildhauer oder - wie die Bayern sagen - Herrgott-Schnitzer. Die Ironie seiner Familiengeschichte will es, dass der Opa ausgerechnet jenem Oberammergau den Rücken kehrte, das Deutschland-Besucher aus den USA wohl mindestens ebenso gerne besuchen wie Münchens Hofbräuhaus. Brunner kam Ende der 80-er Jahre nach Europa. Von Halle hatte er freilich schon vorher gehört. Verwandte erzählten ihm in Hawaii von Händels Stadt. Bei einem Engagement in Nizza entdeckte der Wagner-Erbe Wolfgang den Tenor und engagierte ihn für Bayreuth. Dort traf Brunner wieder jene Verwandten, die gerade von einem Halle-Besuch kamen.

Da merkte der Sänger freilich noch nicht, wie sich das unsichtbare Netz der halleschen Anziehungskraft schon über ihm zusammenzog. Doch zunächst - nach Engagements in London und an der Wiener Staatsoper - wechselte er in die Freiberuflichkeit. Seine Frau, eine Bühnentänzerin, die mit ihm in Wien engagiert war, wurde nach Leipzig verpflichtet. Brunner ging mit - und kurz darauf begann die Zusammenarbeit mit Halles Opernhaus. Hier sang er das Verdi-Konzert und den Tannhäuser und hier wird er im März - wie in Berlins Komischer Oper - als Bacchus in Richard Strauss'' "Ariadne auf Naxos" auf der Bühne stehen.

Doch zuvor singt und denkt sich Brunner in die Rolle des Florestan hinein. Eigentlich habe wohl jeder schon mal das Gefühl des Gefangenen kennen gelernt, "dass das Leben an einem vorbei läuft", beschreibt der Tenor, was ihn an Beethovens Freiheitsoper bewegt. Und ein bisschen das Gefühl, gefangen genommen zu sein, erlebt er bei den Proben auch auf musikalische Weise. Das liege am Opernhaus-Orchester, das seiner Ansicht nach besser ist als manche in viel größeren Häusern. Die Zusammenarbeit, sagt Brunner, "passt einfach" - und ergänzt: "Genau wie das Leben hier". "Wer weiß", meint der weit gereiste Amerikaner schulterzuckend: "Vielleicht lasse ich mich hier ja mal nieder."