Raum zur Entfaltung Raum zur Entfaltung: Ehemalige öffentliche Toilette wird zu Halles kleinster Galerie

Halle (Saale) - Vermutlich ist schon jeder Hallenser x-mal in seinem Leben an dem Denkmal vorbeigekommen, ohne es jemals wahrgenommen zu haben: die ehemalige Bedürfnisanstalt an der Merseburger Straße, Ecke Huttenstraße. Das 1902 erbaute winzige Häuschen mit dem dreieckigen Grundriss ist verfallen und zurzeit nicht gerade ein Blickfang. Unauffällig, obwohl es direkt an der Hafenbahntrasse liegt. Nun soll es eine neue Funktion erhalten.
Denn ein neuer Verein mit dem passenden Namen „Das Bedürfnis e.V.“ will hier auf den vorhandenen 13 Quadratmetern Ausstellungen, Lesungen und anderen Kulturveranstaltungen ermöglichen.
Bedürfnisanstalt in der Merseburger Straße soll Halles kleinste Galerie werden
Wie das gehen soll, erklären Hilde Pank und Tim Mahn vom Verein. Tim Mahn ist Architekt und seit 2017 auch im Verein „Arbeitskreis Innenstadt“ (AKI) aktiv, der sich um den Erhalt alter Bausubstanz kümmert. „Beim Flanieren habe ich die Bedürfnisanstalt entdeckt“, sagt Mahn.
Und anschließend festgestellt, dass der AKI das Denkmal gemeinsam mit der Stadt bereits 2015 gesichert hat. Das Dach ist dicht, das Gebäude mit einer Tür verschlossen, die Fenster vernagelt. „Der AKI und die Stadt haben das erklärte Ziel, Ideen zur Nutzung des Gebäudes zu entwickeln“, sagt Tim Mahn.
Lösbare Aufgabe
Mit der charmanten Idee, Künstlern auch in der südlichen Innenstadt einen besonderen Raum zur Entfaltung zu geben, ist der Verein auf offene Ohren gestoßen. Denn entlang der Merseburger Straße sind Kultureinrichtungen nicht besonders dicht gesät.
„Es wird eine spannende Aufgabe sein, wie wir es lösen, hier Veranstaltungen zu ermöglichen“, sagt der Architekt. Doch so wie jetzt schon am Kiosk „hr. fleischer“ am Reileck könne man vielleicht den Raum vor der Bedürfnisanstalt mit einbinden.
Crowdfunding-Aktion für Sanierungskosten von rund 25.000 Euro
„Eine Idee ist auch, das Hereinschauen in den Raum durch eine Art Schaufenster zu ermöglichen“, ergänzt er. Bei der Sanierung will der zehnköpfige Verein aus Designern, Künstlern und Handwerkern, meist mit Bezug zur Kunsthochschule Burg Giebichenstein, viele eigene Leistungen einbringen. Auch ein Antrag auf Fördermittel aus dem Denkmalschutzbereich sei bereits eingereicht.
„Wir schätzen die Kosten der Sanierung auf etwa 25.000 Euro“, sagt Tim Mahn. Um das zu finanzieren, ist auch eine Crowdfunding-Aktion angelaufen. „Wir haben schon einen Veranstaltungsplan für 2021 aufgestellt“, berichtet Hilde Pank. Lesungen, Musik, Performance - alles ist mit drin. Beteiligt sein werden nicht nur die zehn Künstler des Vereins, sondern bundesweit haben sich Gäste angesagt, so eine Fotografin, die an der Bauhausuniversität Weimar studiert hat. Der besondere Raum zieht halt einfach an.
Hoffnung, schon in der Sanierungsphase Kunstaktionen zu starten
Einiges ist jedoch zu tun, um die Schäden aus Jahrzehnten des Leerstandes zu beseitigen: Das Mauerwerk aus zweifarbigen Klinkersteinen muss trockengelegt werden, Putz abgeschlagen und Mauern freigelegt werden, Fenster und Türen müssen komplett überarbeitet und teilweise erneuert werden. Elektro, Heizung, Sanitär sind ebenfalls marode. Alle Arbeiten will der Verein natürlich korrekt beantragen, bevor es losgeht.
Doch Tim Mahn hat die Hoffnung, dass der Verein schon in der Sanierungsphase Kunstaktionen in und am „Bedürfnis“ durchführen kann, vielleicht schon im kommenden Jahr. Bis dahin stellt sich noch die Frage, wem die Bedürfnisanstalt künftig gehören wird. Bislang ist die Stadt Eigentümer. Kauf oder Pacht? Der Verein ist für beides offen.
Bislang hat der Verein nur einen Instagram-Account, auf dem demnächst auch ein Video zum Crowdfunding veröffentlicht werden soll. Doch schon jetzt freuen sich die Künstler darauf, das Viertel rund um das Klinikum Bergmannstrost und den Lutherplatz kulturell zu beleben und mit den Anwohnern in einen Austausch zu kommen.
››Der Verein ist auf Instagram unter das_beduerfnis zu finden (mz)
