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Nach gewaltverherrlichendem Musikvideo War der Rap-Song eines jungen Migranten aus Halle antisemitisch?

Der Auftritt eines jungen Migranten in Halle-Neustadt hat Schlagzeilen gemacht. Sachsen-Anhalts Innenministerin forderte sogar die Rücknahme seiner Einbürgerung. Doch was ist dran an den Vorwürfen?

Von Denny Kleindienst Aktualisiert: 04.06.2024, 20:44
Das Foto zeigt den  jungen Mann (vorn links) zu Jahresbeginn in der Passage 13 in Halle, wo die MZ ihm aus anderem Anlass begegnete.
Das Foto zeigt den jungen Mann (vorn links) zu Jahresbeginn in der Passage 13 in Halle, wo die MZ ihm aus anderem Anlass begegnete. Foto: Max Hunger

Halle (Saale)/MZ - Zumindest für die Staatsanwaltschaft Halle ist der Fall vom Tisch. Nach MZ-Recherche hatte sie bereits zu Jahresbeginn aufgrund einer Onlineanzeige ein Lied unter die Lupe genommen, das ein 18-Jähriger unter seinem Künstlernamen „Abu Shaqra“ in den sozialen Medien veröffentlicht hat. Das dazugehörige Musikvideo entstand in der Passage 13 in Neustadt. Der Vorwurf: Der Hobby-Musiker bejuble darin den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober auf Israel, und der Song sei antisemitisch.

Laut Staatsanwalt Dennis Cernota wurden bei der Prüfung des Liedes aber „keine strafrechtlich relevanten Inhalte festgestellt“. Ende April sei das Verfahren daher eingestellt worden. Für Schlagzeilen sorgte der Song später trotzdem.

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Seit vergangener Woche haben verschiedene Medien den Fall aufgegriffen. Brisant daran ist, dass der junge Mann wenige Wochen nach Veröffentlichung des Videos in Halle eingebürgert wurde – und dafür auch ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels abgeben musste. Daraufhin teilte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) mit, sie erwarte von der Stadt Halle, dass unverzüglich das Verfahren zur Rücknahme der Einbürgerung eingeleitet werde.

Stadt Halle prüft Rücknahme der Einbürgerung

Noch läuft die Prüfung, wie die Pressestelle der Stadt mitteilt. Aus Sicht von Hans Goldenbaum von der Fach- und Beratungsstelle für Gewalt- und Radikalisierungsprävention SALAM, die in Halle ein Büro hat, sind die Vorwürfe haltlos. Der umstrittene Song beinhalte weder antisemitische Hetze, noch handle es sich um islamistischen Rap.

„Auch eine Strafbarkeit wurde nach einer juristischen Prüfung durch einen unserer juristischen Sachverständigen nicht festgestellt.“ Allerdings, so Goldenbaum, habe das Lied nationalistische und gewaltverherrlichende Elemente.

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Der Islam- und Sozialwissenschaftler Goldenbaum weist darauf hin, dass es aufgrund des Vorfalls schon um den Jahreswechsel eine pädagogische Intervention gab. In mehreren Einzelgesprächen sei mit dem Hobby-Musiker die Lage in den palästinensischen Gebieten aufgearbeitet worden. Und dabei deutlich gemacht worden, dass gerade Organisationen wie die Hamas, die selbst als Kämpfer für die palästinensische Sache auftreten, das Gegenteil dessen sind.

Keine „manifeste Radikalisierung“

Der Jugendliche habe dann erklärt, ihm sei es unangenehm, dass das Video als Unterstützung der Hamas verstanden werden könne und dass er auch nicht viel Wissen zu der Lage vor Ort habe.

Anders als berichtet, ist der junge Mann laut Goldenbaum kein Syrer, sondern als staatenloser Palästinenser in einem syrischen Flüchtlingslager aufgewachsen. Seine Jugend habe er dann in Halle verbracht, wo er mit seiner Familie lebe. Von einer Brennpunktschule habe er es mit guten Noten aufs Gymnasium geschafft, derzeit mache er sein Abitur. Eine „manifeste Radikalisierung“ lasse sich bei ihm nicht feststellen.

Das große Problem laut Goldenbaum sei, dass er wie viele andere Jugendliche auch seine Informationen von TikTok oder Instagram beziehe, wo sie oftmals ungefiltert und ohne Kontext auftauchen. „Das ist eine Eingangstür für Extremisten.“ Und es führe „zu einer verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung der Jugendlichen“.

Teilnahme an Bildungsfahrt

Goldenbaum sagt auch, dass „der Prozess der Reflexion“, wie er es nennt, nicht abgeschlossen sei und weiterhin begleitet werden müsse. So nehme der junge Mann bald an einer Bildungsfahrt teil, in der arabische und muslimische Jugendliche sich mit Antisemitismus in Deutschland und der Pluralität jüdischer und israelischer Stimmen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt auseinandersetzen. Fragt man Goldenbaum, ob das eine Reaktion auf die negativen Schlagzeilen ist, sagt er: „Er ist seit Januar angemeldet.“

Es trifft sich, dass der Jugendhilfeausschuss an diesem Donnerstag in der Passage 13 stattfindet.