Psychotherapeutin Marga Kreckel Psychotherapeutin Marga Kreckel: Die Weltensammlerin aus Halle

Halle (Saale) - Das halbe Dutzend ist nun voll. Sechs dicke Bücher liegen auf Marga Kreckels Schreibtisch, alle verfasst von ihr selbst. Sechs „persönliche Reisebegleitungen“, wie es im Untertitel stets heißt. Die Bücher sind freilich alles andere als gewöhnliche Reiseführer - sollen es auch gar nicht sein: Kreckels Anspruch ist, nicht weniger als ein umfassendes und reich bebildertes Porträt des jeweiligen Landes zu bieten, inklusive tiefer Einblicke in die Historie.
Seit bald zehn Jahren unternimmt die hallesche Psychotherapeutin mit schöner Regelmäßigkeit mehrwöchige Touren in das jeweilige Land. Und es sind meist gerade nicht die klassischen Reiseziele, die sie wählt. Die erste Tour führte nach Usbekistan, die zweite in den Iran. Aber auch bei geläufigeren Reisezielen wie Indien, der Türkei oder Marokko taucht Kreckel weit tiefer in die Materie ein als man es als gemeiner Pauschalurlauber wohl je tun würde.
Was die Bücher eint: die sehr persönliche Note, die auch optisch durch verschiedene Schrifttypen hervorgehoben wird.
Fasziniert vom Islam
Schon seit den 1960er Jahren ist Marga Kreckel fasziniert vom Islam, von islamisch geprägten Ländern, deren Architektur („Die ist ja so was von schön!“) - und natürlich den Menschen dort. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Soziologen und ehemaligen Rektor der Uni Halle, Reinhard Kreckel, unterrichtete sie seinerzeit während der Semesterferien in Algerien. Die Erfahrungen, die sie dort sammelte, trugen entscheidend bei zu ihrem dauerhaften Interesse an der islamischen Kultur.
Marga Kreckel studierte in München sowie in Oxford und im schottischen Aberdeen, später leitete sie die psychiatrische Tagesklinik des Städtischen Klinikums Nürnberg. Seit 1995 arbeitet sie als niedergelassen Psychotherapeutin in Halle. Das offizielle Renteneintrittsalter hat sie längst hinter sich gelassen - ihre Neugierde indes ist ungebrochen.
Mit ihren Büchern verfolgt sie auch einen aufklärerischen Anspruch: Marga Kreckel macht kein Hehl daraus, dass sie die allgemeine Berichterstattung unbefriedigend findet. Aus diesem Impuls heraus entstand auch der Plan für die erste Reise - nach Usbekistan. Vor allem dieses Buch hat sich mit vier Auflagen seit seinem Erscheinen im Jahr 2008 zu einem kleinen Verkaufsschlager entwickelt.
Viele der aktuellen Diskussionen sieht sie also mit Unbehagen. Wissen vermitteln, um Ängste abzubauen und im Idealfall in eine neue Begeisterung umzuwandeln - das ist das ehrgeizige Ziel, das sie mit ihren Büchern daher immer auch verfolgt.
„Achse des Bösen“
Am eindrücklichsten war der Widerspruch zwischen medial vermittelten und vor Ort erlebten Eindrücken wohl im Iran, dem „Schurkenstaat“ schlechthin, dem Dauermitglied der „Achse des Bösen“. Im Iran (sowie auch in Usbekistan und in Indien) war sie allein unterwegs, begleitet nur von einer Reiseführerin. Gab es je ein negatives Erlebnis? „Nicht ein einziges Mal.“
Und als Marga Kreckel am Flughafen in Teheran ihren eigens für die Reise gekauften, extralangen Mantel anziehen wollte, da musste ihre Reiseführerin regelrecht lachen: Das sei nun wirklich nicht nötig. Gefragt nach dem prägendsten Eindruck all ihrer Reisen, überlegt Marga Kreckel eine Weile. Dann sagt sie: die Gastfreundschaft. „Und ich schaue kritischer auf unsere eigene Gesellschaft.“
Im aktuellen Band geht es um Albanien. Auch hier hat sie gleich ein eindrückliches Beispiel für falsche Wahrnehmungen: So findet sich im Buch das Foto einer komplett verschleierten Frau, aufgenommen um das Jahr 1900. Der Untertitel klärt auf: Es handelt sich um eine Katholikin!
Das neue Reiseziel steht bereits fest: Kirgistan. Dessen heutiges Staatsgebiet war einst Teil verschiedener Reiche, angefangen vom Reich Alexanders des Großen. Christentum, Buddhismus und der Islam, aber auch kleine Glaubensgemeinschaften haben dort Spuren hinterlassen. Die Perspektive für die islamischen Länder sieht Marga Kreckel übrigens positiv. „Bildung ist der Motor für die Demokratie.“ Dazu passt auch diese Erkenntnis der Iran-Reise: 52 Prozent der Studenten an den Universitäten dort sind Frauen. (mz)