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Prozess gegen PC Fritz Prozess gegen PC Fritz: Kronzeuge trägt Perücke

Von Silvia Zöller 21.10.2014, 06:36
Der Softwarehändler PC Fritz steht unter Verdacht in großem Stil Raubkopien als Originale ausgegeben und verkauft zu haben.
Der Softwarehändler PC Fritz steht unter Verdacht in großem Stil Raubkopien als Originale ausgegeben und verkauft zu haben. www.pcfritz.de/Screenshot Lizenz

Halle (Saale) - Sicherheitskräfte in Zivil und in Uniform an jeder Ecke, Fotografierverbot im ganzen Haus, ein mit Perücke und Brille verkleideter Kronzeuge: Am Landgericht Halle wurde am Montag ein ganz besonderer und ungewöhnlicher Fall verhandelt. Mit gefälschten CDs des Microsoft-Betriebssystems Windows, die zu einem Dumping-Preis von 19,90 Euro verkauft wurden, soll der hallesche Online-Versand PC Fritz Millionen gemacht haben. Und diese laut Anklage der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß versteuert, sondern rund eine Million Euro hinterzogen haben.

Deswegen muss sich jetzt ein 31-jähriger Berliner vor dem Landgericht Halle verantworten. Eine zweite Anklageschrift gegen ihn und drei weitere Personen wegen gewerbsmäßigen Betrugs liegt bereits am Landgericht vor. Termine hierfür stehen noch nicht.

Doch der große Sicherheitsaufwand galt nicht dem Angeklagten, der der faktische Geschäftsführer und Hintermann des dubiosen Online-Handels gewesen sein soll. Vielmehr galt die Sicherheitsstufe 1 dem Kronzeugen, der vom Gericht gehört wurde: der 38-jährige Maik Mahlow aus Halle. Er hatte sich in besseren Zeiten als millionenschwerer Geschäftsführer von PC Fritz feiern lassen. Zum Werbe-Image gehörte auch eine erfundene Krebskrankheit inklusive kahlgeschorenem Schädel. Nach einer Razzia hat er umfassend bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt und steht jetzt im Zeugenschutzprogramm.

Vor der Wirtschaftsstrafkammer beschrieb sich der Zeuge selbst als Ahnungsloser, der in den Fängen des Angeklagten hilflos gewesen sei. „Ich stand da auf dem Papier als Geschäftsführer und konnte die Tätigkeit nicht ausüben“, sagte der Hallenser. Denn alle Entscheidungen habe der Angeklagte getroffen und ihn nur als Strohmann für seine Geschäfte benutzt. Auch in der Ukraine, der Türkei, in Hongkong und Prag sei er für den „Chef“ unterwegs gewesen. „Mir wurden alle Sachen weggenommen, ich wurde nicht aus den Augen gelassen und bekam nur Taschengeld“, berichtete der Zeuge. Ein wenig Luxus war freilich auch dabei: Flüge, Hotels und Champagnerpartys soll der Angeklagte bezahlt haben. Und nicht ganz unbeeindruckt berichtete der Hallenser von einer Kurierfahrt mit den betrügerischen CDs in die Türkei: „Wir waren mit drei Fahrzeugen unterwegs, eines davon war ein Transporter mit einer Raketenabwehrvorrichtung auf dem Dach.“ Mit dabei seien weitere Hintermänner gewesen, der Angeklagte habe die internationalen Geschäfte meist von Berlin aus per E-Mail geregelt.

Mit den Steuerschulden wollte der Hallenser freilich auch nichts zu tun haben: Die steuertechnische Seite habe zunächst ein Steuerbüro erledigt, später habe sich der Angeklagte darum gekümmert. Woher die hohen Barbeträge kamen, die er regelmäßig vom Firmenkonto abheben sollte? Das wisse er nicht, die seien einfach verfügbar gewesen.

Dem Angeklagten, der bislang zu den Vorwürfen geschwiegen hat, platzte bei der Vernehmung des Kronzeugen der Kragen. Er hielt ein Schild hoch, auf dem „Lügen“ zu lesen war. Der Prozess wird fortgesetzt. (mz)