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Polizei warnt Polizei warnt: Gleise werden immer öfter zur tödlichen Gefahr

Von Oliver Müller-Lorey 12.09.2017, 12:30
Die Bundespolizisten Jens Wichmann und seine Kollegin haben am S-Bahnhof Zscherbener Straße schon viele brenzlige Situationen erlebt.
Die Bundespolizisten Jens Wichmann und seine Kollegin haben am S-Bahnhof Zscherbener Straße schon viele brenzlige Situationen erlebt. Günter Bauer

Halle (Saale) - An diesem Gullydeckel zwischen zwei Gleisen war es, als die Bundespolizistin zwei kleinen Kindern das Leben rettete. Halle-Neustadt, S-Bahnhof Zscherbener Straße. Zwei Kinder, etwa drei bis vier Jahre alt, spielten auf den Schienen und bemerkten nicht, in welcher Gefahr sie sich befanden. „Wir haben den Zug schon kommen sehen, der ganze Bahnsteig war voller Leute aber keiner ist eingeschritten“, erinnert sich die Beamtin, die lieber anonym bleiben will.

Damals sprang sie ins Gleisbett, griff sich die Kinder und warf sie ihrem Kollegen entgegen. Kurz bevor der Zug über ihr Funkgerät fuhr, das sie bei der Aktion verloren hatte, zog der Kollege auch sie hoch auf dem Bahnsteig. Dieses Mal ging alles gut. Aber sie hat auch schon einige Tote auf den Gleisen gesehen.

Leichtsinn pur: Kinder legen Steine in Gleise, Hochzeitspaar lässt sich unter Lebensgefahr ablichten

Heute ist die Polizeihauptmeisterin wieder auf Streife entlang von Schienen und auf Bahnsteigen unterwegs - zusammen mit ihrem Kollegen Jens Wichmann, ebenfalls Hauptmeister. Die beiden arbeiten für die Bundespolizei, die damals noch Bundesgrenzschutz hieß. Doch am Leichtsinn der Menschen hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: In den vergangenen Wochen häufen sich Meldungen über Kinder und Erwachsene im Gleis.

In der vergangenen Woche legten Kinder südlich von Halle Steine auf Schienen. Die können zum tödlichen Geschoss werden, wenn der Zug darüber fährt. Andere nutzen den Weg über die Schienen als Abkürzung oder gar als Platz für ein Hochzeits-Fotoshooting, wie Anfang September in Magdeburg geschehen. „Da fällt mir nichts mehr zu ein“, sagt Wichmann, der über so viel Leichtsinnigkeit nur den Kopf schütteln kann.

Streife unterwegs in Halle-Neustadt:  Viele laufen einfach über die Gleise, wenn die Polizei nicht hinschaut

In Halle scheinen besonders die Gleise in Neustadt eine hohe Anziehungskraft zu haben. Deshalb beginnen die beiden Beamten an diesem Tag ihre Streife genau dort. Sie parken das Auto in der Nähe des Bahnsteigs und beobachten die Reisenden. Ein Mann steigt aus der S-Bahn und läuft in Richtung eines Trampelpfads, der am Ende des Bahnsteigs über die Gleise führt. Als er sich umsieht und die Beamten erblickt, geht er nicht über die Schienen. Zufall? Viele sind weniger vorsichtig.

Das Gebüsch am Ende der Plattformen ist plattgetreten und bevor das Gleisbett neu geschottert wurde, habe es regelrechte Kuhlen in den Steinen gegeben, erzählt Wichmann.

Doch nicht nur die freie Strecke birgt Gefahren. „Auf dem Tunnelbahnsteig in Neustadt spielen Kinder manchmal Fußball“, erzählt er. Seine Kollegin holte einmal einen kleinen Jungen aus dem Gleis, der sich keiner Schuld bewusst war. „,Ich habe doch grün’, hat er gesagt und das grüne Signal für den Lokführer gemeint“, erinnert sie sich.

Mit dem Kinderwagen über die Gleise: Auch Erwachsene unterschätzen die Lebensgefahr

Nicht nur Kinder bringen sich in Lebensgefahr. Wichmann musste einmal mit einer 85-Jährigen diskutieren, die nach eigener Aussage seit Jahren die Abkürzung über die Gleise nimmt. Eine, die tödlich enden kann. „Ich hatte auch schon eine Frau mit Kinderwagen im Gleis, die total verständnislos war. Das ist fast in Widerstand gegen Beamte ausgeartet“, sagt der 48-Jährige.

Nächste Station für die beiden: Die Gleise zwischen den Stationen Südstadt und Silberhöhe. Die Wände unter einer Brücke verraten, das sich hier oft Graffitisprüher austoben, was nicht nur verboten, sondern auch gefährlich ist. Hier fahren nicht nur S-Bahnen, sondern auch Züge mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde. Wichmann deutet auf ein Graffiti in Höhe des stromleitenden Fahrdrahts. Dann erzählt er, wie er einmal einen Notarzt aus dem Gleis bitten musste, der sich um einen vom Stromschlag Getroffenen kümmern wollte.

Eigenschutz sei wichtig, auch wenn man einen Straftäter über die Gleise verfolgen oder ein Kind von den Schienen retten wolle. Wichmann und seine Kollegin hoffen, dass sie das in Zukunft seltener tun müssen. (mz)