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Sodann vs. Brenner Peter Sodann gegen Matthias Brenner im NT in Halle: Professorenstreit als Intendantenduell

Von Detlef Färber 20.10.2018, 16:02
Peter Sodann und Matthias Brenner
Peter Sodann und Matthias Brenner ZB/Günther Bauer

Halle (Saale) - Sie waren fast Nachbarn, waren Kollegen, waren beide erfolgreich, ja weltberühmt  - und sie standen in guten (heute würde man sagen in den besten) Mannesjahren. Außerdem waren die beiden Herren zugezogen nach Halle an der Saale. Beste Chancen also für eine dicke Freundschaft, sollte man meinen. Doch leider ...

Oder sollte man sagen „zum Glück“ - zumindest im Nachhinein? Denn dass sich die Professoren August Hermann Francke und Christian Wolff gelinde gesagt nicht grün waren, ja, dass sie und ihre Anhänger einander einen dramatischen Streit lieferten, sollte sich für die Bedeutung der Stadt als großer Gewinn erweisen und Halle mit seiner jungen Universität kurzzeitig ins Zentrum eines geistesgeschichtlichen Umbruchs von welthistorischer Bedeutung stellen: ins Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Pietismus und Aufklärung.

Professoren- und Protagonistenstreit hat womöglich nie stattgefunden

Das Dumme war nur, dass dieser Professoren- und Protagonistenstreit Auge in Auge womöglich nie stattgefunden hat. Eher nur über Bande und über das Agieren Dritter. Was sich nun als Steilvorlage für einige hallesche Theaterleute erweist, die es ebenfalls zu immerhin deutschlandweiter Berühmtheit gebracht haben: Als Steilvorlage dafür, diese einst so Aufsehen erregende Auseinandersetzung nun auch mal bühnenwirksam in Szene zu setzen.

Die Rede ist von Peter Sodann und Matthias Brenner, zwei Männern mit ebenfalls einigen Gemeinsamkeiten: Beide zogen sie einst von außen zu, beide waren sie Intendanten und darüber hinaus waren oder sind sie erfolgreich über Halle hinaus in Film und Fernsehen tätig.

Duell zwischen dem Alt-Intendanten des NT und seinem aktuellen Nachfolger am Reformationstag

Der Unterschied in ihrer beider Verhältnis zu dem von Francke und Wolff ist allerdings, dass zwischen dem Alt-Intendanten des NT und seinem aktuellen Nachfolger keine nennenswerten Kontroversen bekannt sind. Was sie wohl geradezu dazu prädestiniert, nun mal in die Rollen von zwei der größten und wirkungsmächtigsten Hallenser zu schlüpfen. Der Name des Projekts lautet in gebotener Dramatik: „Die Erfindung der Vernunft“, und für die Aufführung dieses Ortsderbys in Sachen Philosophie konnte wohl kein besserer Termin gefunden werden als der kommende Reformationstag.

Die Väter des Projekts sind freilich nicht Brenner und Sodann, sondern Sodanns langjähriger Chef-Dramaturg Erhard Preuk und der hallesche Schriftsteller Kurt Wünsch. Beide haben das Textbuch verfasst für einen philosophisch-theologisch-politisch-persönlichen Schlagabtausch, der sich so vielleicht hätte abgespielt haben können: ein möglich gewesener Disput also.

Neues Theater in Halle: Worum es ging und geht

Worum es ging und geht, ist der Allgemeinheit nur in groben Zügen bekannt. Francke, aus Lübeck stammend und der Ältere der beiden Rivalen, war, als Christian Wolff 1706 an die hiesige Universität berufen wurde, bereits 14 Jahre in Glaucha und Halle aktiv: als Pfarrer, Hochschullehrer und insbesondere als Gründer seines Waisenhauses, als der Keimzelle der Schulstadt vor den Toren Halles. Und Francke war Anhänger einer besonders frommen und sittenstrengen Bewegung in der evangelischen Kirche namens Pietismus.

Wolff, in Breslau geboren, hatte Saale aufwärts in Jena studiert, unter anderem auch Theologie - eine weitere Gemeinsamkeit mit Francke also. Doch bald wurde der auch als Jurist und Mathematiker bekannte Universalgelehrte zu einem der führenden Köpfe der Epoche: ein früher Vertreter und Wegbereiter einer philosophischen Richtung, die später Aufklärung genannt werden würde, und die als entscheidende Vorleistung gilt für die folgenden Durchbrüche in Naturwissenschaft und Technik und also auch für die Aufbrüche in der Wirtschaft hin zum Industriezeitalter und - so meinen die Autoren Wünsch und Preuk - sogar bis hin ins heutige Digitalzeitalter.

Neues Theater in Halle: Zwei Welten, zwei Pioniere und nicht zuletzt zwei „Alpha-Tiere“

Zwei Welten, zwei Pioniere und nicht zuletzt zwei „Alpha-Tiere“ prallten damit aufeinander - als Auftakt eines bis heute sehr fruchtbaren Diskurses, der in der Aufklärungs- und Pietismusforschung weiterhin etliche Gelehrte beschäftigt. Wünsch und Preuk haben sich bei Historikern, Philosophen und unter anderem auch dem Theologen und Pietismus-Experten, Alt-Rektor Prof. Udo Sträter, Rat geholt - ganz im Sinne ihrer Grundintention, beiden Protagonisten gleichermaßen gerecht zu werden. „Wir wollen sie gleichwertig präsentieren“, sagt Erhard Preuk.

Dessen ungeachtet gibt es aber noch ein Ziel, das sich allein auf Wolff bezieht - denn: Francke mit den Stiftungen und Halles Welterbe-Bewerbung dazu habe bislang fast alle Aufmerksamkeit gegolten. Von Christian Wolff gibt es dagegen nicht mal ein Denkmal. Zumindest dies ändern zu helfen, ist eine Intention des Projekts um den „halleschen Streit“.

››Mittwoch, 31. Oktober, um 19.30 Uhr im Neuen Theater. Es gibt noch Karten. (mz)