Obdachloser Obdachloser: Letzte Ruhe auf grüner Wiese
Halle/MZ. - Die schwarze Urne gleitet langsam in das Loch auf der Wiese. "Ruhe in Frieden", sagt der Mann vom Beerdigungsinstitut noch. Dann ist das Begräbnis auf dem Gertraudenfriedhof für Peter O. vorbei, keine fünf Minuten hat es gedauert. Niemand begleitet den Obdachlosen auf seinem letzten Weg.
Geboren im Dezember 1949 in Naumburg, soll er viele Jahre dort gewohnt haben. "Ich glaube, er hat vor langer Zeit in Buna oder Leuna gearbeitet", sagt Christine König, die den Kiosk und den Blumenladen am Neustädter Tunnelbahnhof betreibt. An diesem Ort hielt sich der mittelgroße, schlanke, braunhaarige Mann mit dem Oberlippenbart meistens auf.
"Ja, er hat viel getrunken und noch mehr geraucht", erinnert sich Christine König. Aber er habe auch oft gefragt, ob er helfen könne. Sie hat ihm dafür dann etwas zu essen gegeben. "Er war ein lieber Mensch", sagt sie nachdenklich, habe solch ein Schicksal nicht verdient. Viel mehr weiß sie nicht über ihn, obwohl Peter gerne mal einen Schwatz machte.
Auch Veronika Stenzel aus Neustadt ist betroffen von der Nachricht, dass Peter nicht mehr lebt. Sie kannte ihn ebenfalls als hilfsbereiten Menschen, der ihr manchmal im Garten zur Hand ging. "Viel hat er ja nicht über sich erzählt", sagt sie. Er muss bei einer Tante in Trotha gelebt haben. Als sie starb, war die Straße dann sein Zuhause; im Obdachlosenheim wohnte er wohl nur vorübergehend.
Über sein früheres Leben hat der Mann kaum gesprochen. Nichts von seiner Familie erzählt, die er hatte, ehe er sich vor rund 20 Jahren scheiden ließ. Christine König erinnert sich, dass er mal von einem Kind sprach, manchmal auch von vier Kindern. Kontakt bestand schon lange nicht mehr - weder zur geschiedenen Frau und zu den Kindern, noch zu Verwandten.
Ob sie wissen, dass er gestorben ist? Ob sie jemals zu der grünen Friedhofs-Wiese gehen, auf der er liegt? Für die Männer vom Beerdigungs-Institut sind solche Bestattungen Routine: Erst wird die mit ein paar Blumen geschmückte Urne im Trauerraum aufgestellt. Dazu spielt Musik vom Band, zwei Kerzen brennen. Dann trägt ein Bestatter im schwarzen Anzug und weißen Handschuhen die Urne zu dem abgelegenen Fleck, auf dem Menschen anonym beerdigt werden.
Oft geht der Bestatter ganz früh am Morgen mit der Urne in der Hand den Weg dorthin alleine, weil weder Verwandte und Bekannte noch Freunde da sind. Wie bei Peter O. "Wir verdienen an solchen Sozial-Bestattungen nichts", erzählt er auf dem Rückweg. Im nächsten Jahr wolle sich das Beerdigungsinstitut nicht wieder an Ausschreibungen um diese Aufträge beteiligen.
Einen Trost hat er noch - sollten sich tatsächlich eines Tages Angehörige melden, so könnte die Urne ausgegraben und im Familiengrab beigesetzt werden. Aber das passiere sehr, sehr selten...