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Nur zwei Praxen Nur zwei Praxen: Kritik an schlechtem Zugang zu Abtreibungen in Halle

Von Jonas Nayda 10.06.2020, 15:00
Eine Arztpraxis.
Eine Arztpraxis. dpa

Halle (Saale) - Nicht immer löst ein positiver Schwangerschaftstest Begeisterung bei den werdenden Eltern aus. Eine ungewollte Schwangerschaft kann für Frauen sogar zu einem großen Problem werden, beispielsweise wenn Jugendliche schwanger werden, weil sie unvorsichtig waren. Noch dramatischer trifft es Opfer von Vergewaltigungen, die auf keinen Fall das Kind ihres Vergewaltigers austragen möchten.

Für sie ist schnelle Hilfe entscheidend, denn laut Gesetz sind Abtreibungen in Deutschland nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt. Spätere Ausnahmen gibt es, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft bedroht ist. Aber Familienberatungsstellen schlagen Alarm: In Halle wird es für Frauen immer schwieriger, eine Schwangerschaft abzubrechen.

„Es gibt nur zwei Praxen in der Stadt, die Schwangerschaftsabbrüche bis zur elften Woche durchführen“

„Es gibt nur zwei Praxen in der Stadt, die Schwangerschaftsabbrüche bis zur elften Woche durchführen“, sagt Susanne Westphal, Beratungsstellenleiterin bei pro familia in Halle. Eine einfache Google-Suche zeigt, dass beide Praxen im Internet nicht ausfindig zu machen sind. Sie kommunizieren ihre Leistungen nur intern mit Beratungsorganisationen wie pro familia. Ein Grund dafür: Laut Westphal fürchten die Praxen, von Abtreibungsgegnern diffamiert und angegriffen zu werden.

Problematisch sei außerdem, dass seit dem Jahr 2009 kein Krankenhaus in Halle mehr Abbrüche anbietet. Frauen müssen weite Wege auf sich nehmen und etwa nach Leipzig fahren, um sich nach der zwölften Woche helfen zu lassen. „Für Frauen ist eine ungewollte Schwangerschaft schon Belastung genug. Da sollte man es ihnen nicht noch unnötig schwerer machen“, sagt Westphal. Sie verweist auf Fahrtkosten und den organisatorischen Aufwand, den ein Schwangerschaftsabbruch mit sich bringt.

„Wir führen bei uns im Krankenhaus keine Schwangerschaftsabbrüche durch"

Tatsächlich tun sich Halles Krankenhäuser, die operative Frauenheilkunde anbieten, schwer mit dem Thema. „Wir führen bei uns im Krankenhaus keine Schwangerschaftsabbrüche durch. Weitergehende Informationen möchten wir aktuell nicht veröffentlichen“, schreibt etwa das Martha-Maria in Dölau auf MZ-Nachfrage. Das Uniklinikum antwortet trotz mehrfacher Nachfrage überhaupt nicht.

Einzig das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara gibt an, in bestimmten Fällen Ausnahmen zu machen. „Wenn die Rettung des Lebens der Mutter dringend einen chirurgischen Eingriff oder eine andere Behandlung erfordern würde, die als keinesfalls gewollte, aber unvermeidliche Nebenfolge den Tod des keimenden Lebens zur Folge hätte, könnte man einen solchen Eingriff nicht als einen direkten Angriff auf das Leben des Kindes bezeichnen“, schreibt Diakon Reinhard Feuersträter, Leiter der Krankenhausseelsorge.

„Die Versorgungssituation muss dringend verbessert werden“

Dann wäre ein Schwangerschaftsabbruch also möglich. Allerdings bedürfe dies immer einer Einzelfallprüfung durch das Ethikforum des Krankenhauses.

„Die Versorgungssituation muss dringend verbessert werden“, sagt Renate Skirl, Vorsitzende des Verdi-Bezirksfrauenrates. Verdi hat gemeinsam mit pro familia eine Resolution in den Landtag eingebracht, der demnächst im Petitionsausschuss behandelt werden soll. Darin verlangen sie unter anderem, dass Frauen leichter Zugang zu Informationen bekommen sollen, Beratungsstellen mehr Geld bekommen und dass keine Frau mehr weite Wege auf sich nehmen muss, um versorgt zu werden. (mz)