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Neues Call-Center in Halle Neues Call-Center in Halle: Geringe Löhne, großes Personalangebot

Von kathleen Bendick und michael tempel 17.03.2014, 21:47
Birgit Langer ist Personalverantwortliche bei Simon und Focken.
Birgit Langer ist Personalverantwortliche bei Simon und Focken. thomas Meinicke Lizenz

halle (Saale)/MZ - Birgit Langer kommt viel rum, ist immer auf der Suche nach neuen Standorten. Sie ist die Personalverantwortliche bei Simon und Focken, dem Telekommunikationsdienstleister, der am Samstag im Charlotten-Center in Halle ein neues Call-Center eröffnete. 250 Arbeitsplätze sollen hier geschaffen werden. 70 Mitarbeiter in Vollzeit sind schon eingestellt. Dass die Firma sich hier ansiedelte, ist nicht ungewöhnlich. In der Telefonkommunikationsbranche ist die Region wegen der vorherrschenden hohen Arbeitslosigkeit und geringen Lohnansprüchen beliebt.

Attraktiv für Call-Center-Betreiber

Zehn verschiedene Standorte hatte sich Langer im Vorfeld angesehen: Kiel, Braunschweig und mehr. Empfohlen hatte Langer dann Halle. Sie bestätigt damit die Beobachtungen, die auch die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) gemacht hat. Die Stadt ist attraktiv für Call-Center-Betreiber und das seit Jahren. „Nach Nordrhein-Westfalen ist Sachsen-Anhalt das Land mit den meisten Call-Centern“, weiß Danny Bieräugel, IHK-Referent für Standortpolitik.

Nicht zuletzt das niedrige Lohnniveau und die hohen Arbeitslosenzahlen sprechen dem Experten zufolge für die Eröffnung eines Call-Centers in der Stadt. „Für die Arbeit am Telefon braucht es keine besonderen Vorkenntnisse. Außerdem ist unsere Sprache weitestgehend dialektfrei“, sagt Bieräugel. 56 Call-Center zählt die IHK aktuell im Kammerbezirk Halle. Darunter fallen aber nur diejenigen, die auch so benannt werden. „Viele Firmen geben ihre Telekommunikationsfirmen inzwischen auch als Dienstleistungsunternehmen an. Die fallen dann aus der Statistik. Das machen beispielsweise Versicherungen oder Banken so“, sagt Bieräugel. Ähnlich sei das mit Statistiken zu Call-Center-Mitarbeitern. Demnach sind landesweit 11 855 Arbeitnehmer in einer Telefonzentrale angestellt. In Halle sind es nach Schätzungen der Arbeitsagentur allein etwa 6 000.

Vollzeit-Angestellte und Studenten

Nichtsdestotrotz, Call-Center haben zunächst einmal weiterhin Potenzial. Auf 250 Beschäftigte will Simon und Focken erstmal kommen, fünfzig Prozent Vollzeit-Angestellte. Die andere Hälfte soll mit Studenten aufgestockt werden. Als Einstiegsgehalt gibt es 7,50 Euro pro Stunde. Dazu gibt es Gesundheitsmaßnahmen und eine - so Langer - Familienfreundlichkeitspolitik. „Die Studenten brauchen wir, da wir auch abends und wochenends aktiv sind. Unsere Festangestellten sollen auch mal frei haben“, sagt Langer.

Simon und Focken übernimmt Dienstleistungen für Telefonnetzbetreiber. Nach etwa drei Monaten seien Neulinge fit wie Langzeitmitarbeiter. Die Angestellten verkaufen deren Produkte am Telefon und liefern technische Unterstützung. Jeder Angestellte hat etwa vier Quadratmeter Platz. Je Zimmer sitzen 20 Angestellte zusammen. Ist das Unternehmen erfolgreich, sollen weitere Einstellungen folgen.

Auch Call-Center-Betreiber Transcom ist am Standort im Bürocenter Bruckdorf auf Wachstumskurs. Derzeit übernehmen dort 270 Mitarbeiter Telefondienstleistungen für insgesamt elf Kunden. „Noch in diesem Jahr wollen wir die 300-Mitarbeiter-Marke überschreiten“, sagte Standortleiter Hans-Rainer Michels. Geplant sei, weitere Aufträge zusätzlicher Kunden zu übernehmen.

Die halleschen Transcom-Angestellten arbeiten unter anderem für den Kundendienst eines Telekommunikationsanbieters, für Banken, für einen Home-Shopping-Anbieter und sie übernehmen den technischen Service für einen Hersteller von Navigationsgeräten. Namen von Kunden wollte Michels nicht nennen. Bei der geplanten Erweiterung setze man auf neue Auftraggeber aus dem großen Kunden-Pool des weltweit aktiven Transcom-Konzerns, so Michels.

Mitarbeiter wurden entlassen

Dem erwarteten Aufschwung ist allerdings auch eine schmerzhafte - wie Michels sagte - „Konsolidierungsphase“ vorausgegangen. Dabei mussten in den vergangenen Jahren Mitarbeiter entlassen werden. Zahlen nannte der Standortleiter nicht. Konkret konzentriere sich Transcom Halle nicht wie in den vergangenen Jahren auf einen oder zwei Kunden. Die Anzahl der Auftraggeber sei zielgerichtet erweitert worden. „Die Branche hat insgesamt eine schwere Phase gehabt“, sagte Michels. Dem enormen Preisdruck hätten nicht alle Anbieter standhalten können.

Allerdings will das Unternehmen in einer Zeit wachsen, in der es trotz relativ hoher Arbeitslosigkeit immer schwerer wird, neue Mitarbeiter zu gewinnen. „Das ist eine Folge der Konjunktur und des wachsenden Altersdurchschnitts in der Bevölkerung“, sagte Personalmanagerin Ulrike Köhler. Durch gute Kontakte zur Arbeitsagentur und zu Bildungsträgern wolle man dem begegnen. Lockmittel für Bewerber seien eine intensive Ausbildung und leistungsorientierte Bezahlung. Was Einsteiger bei Transcom verdienen, sagte Köhler nicht.

Mindestlohn in Sicht

Eine Zäsur für Halles Call-Center könnte das kommende Jahr werden. Bei Simon und Focken bereitet man sich Langer zufolge auf die mögliche Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns vor. „Wir sprechen schon jetzt mit unseren Kunden, dass unsere Dienstleistungen dann teurer werden. Auch für die Firma muss nach Bezahlung der Mitarbeiter Geld übrig bleiben.“