MZ vom 22.07.1997 MZ vom 22.07.1997: Ohne Vorwarnung auf Geldboten geschossen

Halle (Saale) - Nur Tage nach dem kaltblütigen Mord an einem Taxifahrer in Halle erschütterte erneut ein Verbrechen die Saalestadt: Am hellichten Tage wurden vor dem Großhandelsriesen Metro AG an der Bundesstraße 100 zwei Angestellte eines privaten Sicherheitsdienstes Opfer eines brutalen Raubüberfalls.
Metro-Mitarbeiter fanden die beiden Männer aus Halle um 6.20 Uhr erschossen auf: Gerd K., 49 Jahre alt und Vater dreier Kinder, sowie seinen Kollegen Peter S., den 48jährigen Vater eines Kindes. Beide waren im Auftrag der Geld- und Werttransporte GmbH Hannover unterwegs und galten als äußerst zuverlässige Mitarbeiter. Die Wachmänner hatten gerade die Geldkoffer mit den Wochenendeinnahmen des Marktes in Empfang genommen, als sie von den tödlichen Schüssen niedergestreckt wurden.
Einer starb mit den Geldkoffern in der Hand, der andere wurde im Transporter erschossen. Nach bisherigen Ermittlungen, so Staatsanwalt Andreas Schieweck, wurde „ohne Vorwarnung gezielt auf die Männer gefeuert“. Augenzeugen sahen den unmaskierten Schützen in einem alten grünen Peugeot oder Renault, in dem ein Komplize auf ihn gewartet hatte, Richtung Bitterfeld flüchten.
Die Polizei, bei der die Meldung um 6.23 Uhr eingegangen war, löste sofort eine Großfahndung aus. Doch bis in die Abendstunden blieb die bundesweite Suche erfolglos. In Windeseile wurde eine 18-köpfige Sonderkommission „Metro“ gebildet. Alle möglichen Fluchtrichtungen wurden abgesucht. Ein Hubschrauber kreiste über den nächstgelegenen Straßen und der nahen Autobahn.
Im Polizeirevier am Flughafen Leipzig-Halle wussten die Beamten knapp 30 Minuten nach der Gewalttat, was nur wenige Kilometer weiter in Peißen geschehen war. Mit Hilfe des Bundesgrenzschutzes, so Revierleiter Frank Drechsler, wurden die Kontrollen verschärft - Polizeibeamte bezogen Posten vor dem Flughafen und suchten die Parkplätze ab. Fehlanzeige.
Zugedeckt mit Laken
Nach Informationen der MZ stellte die Polizei aber am späten Vormittag in Wolfen-Nord ein grünes Fahrzeug sicher. Bei der Staatsanwaltschaft hieß es dazu nur, man müsse erst prüfen, ob es sich um das Fluchtauto handele. Zum Tatzeitpunkt herrschte bereits Betrieb bei dem Großhändler, der auch an diesem Montag wie üblich um sechs Uhr geöffnet hatte.
Der Tatort war sofort nach Eintreffen der Polizei abgesperrt worden. Auf dem Parkplatz für Kleintransporter stand das hellblaue Transportfahrzeug. Im seinem Inneren lagen die beiden Opfer - zugedeckt mit Laken. Während der Spurensicherung am Vormittag lief das Geschäft bei Metro weiter als sei nichts geschehen. Kunden schoben eilig ihre Einkaufswagen.
Das große Polizeiaufgebot wurde kaum zur Kenntnis genommen. Die wenigsten wussten offenbar, welch kaltblütiges Verbrechen sich ereignet hatte. Nur flüchtige Blicke gab es für die Männer in den Jacken mit der Aufschrift „Polizeikriminaltechnik“. Ungläubig schüttelte ein Mann den Kopf, als r hörte, daß hier zwei Menschen ermordet worden waren. Andere Kunden hatten von dem Verbrechen bereits aus dem Radio erfahren.
„Wenn man so was im Fernsehen sieht, ist das schon schlimm“, meinte eine Geschäftsfrau bestürzt, „aber wenn das direkt vor der Haustür passiert…“
Der Mord an K. und S. ist das zweite Tötungsverbrechen an Geldboten im Raum Halle-Saalkreis. Am 21. Dezember 1996 waren am Möbelhaus Porta bei Sietzsch der Wachmann Uwe M. von Räubern erschossen und sein Kollege schwer verletzt worden. Die Mörder sind bis heute nicht gefunden worden. Auf MZ-Anfrage, ob Metro- und Porta-Täter identisch sein könnten, sagte Staatsanwalt Schieweck: „Die Täter sind mit der gleichen Brutalität vorgegangen. Natürlich ermitteln wir auch in diese Richtung.“ (mz)