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Mit 82 zu jung für Rente Mit 82 zu jung für Rente: Erich Möbert ist der älteste Schrauber von Halle (Saale)

Von Julia Rau 12.11.2017, 16:00
Erich Möbert in der Werkstatt an einer MZ 250.
Erich Möbert in der Werkstatt an einer MZ 250. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Erich Möbert müsste seit 1998 in Rente sein. Den Herbst des Lebens genießen, reisen und ein paar Hobbies ausleben, sowas eben. Doch er wollte nicht nichts tun. Also macht er einfach weiter. Mit heute 82 Jahren ist er der älteste noch aktive Handwerker in Halle.

Der Kfz-Mechaniker wurde geboren, als das Saargebiet an das Deutsche Reich angeschlossen wurde: 1935. Der Hallenser lernte seine jetzige Ehefrau in dem Jahr kennen, als die Stasi gegründet wurde und eröffnete seine Moped-Werkstatt während „Das ist der Slop“ von den Babsis im Radio rauf und runter jaulte. Wie eine ganze Generation mit ihm hat er verinnerlicht, dass Arbeit eine gute Art ist, sein Leben zu genießen. Mit eigener Hände Arbeit hat er sich trotz Widrigkeiten über Jahrzehnte sein kleines Glück selbst geschaffen.

Halles ältester Schrauber: Erich Möbert kam zunächst ohne Schulabschluss durch die DDR

Ohne Schulabschluss startete sein Arbeitsleben im kriegszerbombten Arbeiter- und Bauernstaat. Durch die DDR hat er sich ziemlich gut durchgewurschtelt. Erst malochte er als Mechaniker „in der Rohpappe“, später machte er Bauteile für russische Walzwerke, was ihn vor dem Wehrdienst bewahrte, und klechte „in der Grube“- im Braunkohle-Tagebau Ammendorf.

Mit 30 übergab ein Altmeister ihm die heutige Werkstatt in der Regensburger Straße. „Dafür musste ich aber erst meinen Meister machen und meinen Schulabschluss nachholen“, erzählt er. 1966 - da war seine große Tochter schon auf der Welt - öffnete „Zweirad Möbert“. „Das lief gleich sehr gut, ich hatte drei Rentner angestellt, die für russischen Waggons Teile drehten“, er reparierte derweile Mopeds. Bis heute lässt er nichts auf die Ost-Renner kommen. „Simson und MZ, die halten ewig, nicht so wie die Westdinger“, sagt er und lacht.

Der älteste Handwerker von Halle (Saale): Zu DDR-Zeiten war er ein gemachter Mann

Mit seiner Werkstatt war er zu Ost-Zeiten ein gemachter Mann - nicht, weil das Einkommen so hoch gewesen wäre, sondern weil er immer was zum Tauschen hatte. „Da hat man mal Moped-Ersatzteile für jemanden besorgt und dafür hat der einen Sack Zement rangeschafft“, erzählt er. Wenn er einen Tipp bekam, dass in Suhl gerade ein paar Scheinwerfer zu haben sind, schickte er seine Frau im Wartburg los, um die Teile abzuholen.

Noch heute hilft die Familie mit. Sohn Henry schmeißt mittlerweile den Laden, dessen Frau arbeitet im Verkauf und der Enkel soll mit einsteigen, wenn er fertig studiert hat. Ganz aus der Hand nehmen lassen, will sich Erich Möbert aber das Geschäft nicht. Er ist bis heute Betriebsleiter und „hat noch seine Werkstatt, in der er schraubt“, sagt Sohn Henry. „Wenn die Jungs noch Fragen haben zu den alten Mopeds, dann kommen sie zu mir“, schiebt Erich Möbert hinterher.

Erich Möbert ist der älteste Handwerker von Halle (Saale): Der 82-Jährige widmet sich den Ost-Schmuckstücken in seiner Werkstatt

Die schwere Arbeit machen aber heute die „Schekser“, wie Möbert die jungen Mitarbeiter nennt. Er widmet sich derweil den Ost-Schmuckstückchen in dem Teil der Werkstatt, der nur für die DDR-Mopeds bestimmt ist. Mit denen kennt sich Möbert am besten aus. Es ist ein kleines Stück Nostalgie konserviert in Schmieröl und Simson-Romantik. Mittendrin der 82-Jährige, der um Jahrzehnte jünger aussieht als er ist. „Wenig Wurst essen, kein Kaffee und ein bisschen Sport machen, das hält fit“, sagt er. Einmal habe er ein Trimmrad gegen ein Moped getauscht. Und die Arbeit sei ein echter Jungbrunnen. „Meine Frau und ich halten es kaum eine Woche im Ferienhäuschen aus. Ohne Arbeit geht es einfach nicht“, sagt er.

Wie das andere anstellen, die mit 67 in Rente gehen und dann den Ruhestand genießen, das wisse er nicht. „Was macht man denn eigentlich dann die ganze Zeit, wenn man Zuhause ist?“ Er wird wohl noch dauern, bis er die Antwort für sich findet. (mz)