Mehrkämpferin Jennifer Oeser Mehrkämpferin Jennifer Oeser: Eine WM-Zweite für Halle

Halle (Saale) - Auf der Hochsprunganlage in der Brandbergehalle schlummert ein Baby. Es ist Jakob, gerade sechs Monate alt, der Spross der besten deutschen Mehrkämpferin der letzten Jahre, die in unmittelbarer Nähe trainiert. Der kleine Mann gehört zu Jennifer Oeser. Sie wohnt mit ihrer Familie nunmehr vor den Toren von Leipzig, in Markranstädt.
Es war ein von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommener Wechsel. Heimlich, still und leise. Mit dem Umzug hat Jennifer Oeser auch ihre sportliche Heimat vom tiefsten Westen nach Ostdeutschland verlagert. Die mehrfache EM- und WM-Medaillengewinnerin im Siebenkampf, Zweite der WM 2009 in Berlin, trainiert nun bei Bundestrainer Wolfgang Kühne. Meist in Halle. Auch wenn sie es einen Versuch nennt mit ganzer Kraft - was angesichts ihrer Aufgaben als Mutter überaus bemerkenswert ist.
Die Doppelbelastung ist eine große Herausforderung. Sohn Jakob, so erzählt sie, sei ein absolutes Wunschkind. Trotzdem wollte sie ihre Sportkarriere weiterführen. Und so genießt Jennifer Oeser in Halle ein Stück weit Sonderstatus. Denn sie ist die einzige in der Trainingsgruppe mit Elternpflichten.
Dass Jakob ab und zu dabei ist, daran haben sich auch Michael Schrader, Rico Freimuth und Cindy Roleder längst gewöhnt. Und Wolfgang Kühne gewinnt dem Zuwachs seiner Trainingsgruppe viel Positives ab. Er sieht seinen Neuzugang auch als Gewinn für die anderen: „Jennifer Oeser weiß, was sie will. Sie dabei zu haben, motiviert auch die anderen.“
Frühe Rückkehr ins Training
Motivation ist für Jennifer Oeser ein entscheidender Faktor. „Es macht mir Spaß“, sagt sie, wenn sie über die mitunter harte Schinderei im Training spricht. Schon zwei Wochen nach der Entbindung habe sie auf dem Ergometer gesessen und nach vier Wochen war sie das erste Mal laufen. „Natürlich habe ich langsam angefangen, mich sozusagen rangetastet.“ Aber Angst, etwas verkehrt zu machen, hatte sie nicht. „Dazu bin ich zu lange im Geschäft.“ Die 31-Jährige weiß, wann es wehtut könnte und sie aufhören muss.
Zwei Wochen Südafrika
Was ihr entgegenkam: Gewichtsprobleme quälten sie nach der Schwangerschaft überhaupt nicht. Vielleicht lag es daran, dass sie Süßes zu dieser Zeit eh nicht aß. Und sicher spielt auch eine Rolle, dass sie neben dem Leistungssport noch stillt. Was mitunter zu ganz alltäglichen Problemen führt. Gerade erst war Jennifer Oeser mit ihrer Trainingsgruppe für zwei Wochen in Südafrika. Ein Härtetest für die junge Mutter, daraus macht sie keinen Hehl.
Sie weiß natürlich, dass ihr Lebensgefährte gut auf den Nachwuchs aufpasst. Dieser ist - wenn auch kein Leistungssportler - wie sie bei der Bundespolizei. Gemeinsam haben sie sich 2014 für den Vorort von Leipzig entschieden. In der Dienststelle in Sachsen sehen beide beruflich eine Perspektive.
Deshalb forcierte die gebürtige Brunsbüttelerin, die nach wie vor für Bayer Leverkusen antritt, letztes Jahr ihren Ortswechsel. Ihr Sohn ist ein echter Sachse. Zur Welt kam er Anfang Oktober im Klinikum von Borna. Der Antrag auf einen Kitaplatz läuft. Im Herbst, so hoffen seine Eltern, könnte es klappen.
Planung vorerst bis Olympia 2016
Bis dahin wird der Junior sicher noch so manche Stunde schlummernd auf der Hochsprungmatte verbringen. Denn Jennifer Oeser hat die Spiele 2016 in Rio im Blick. Mit Olympia muss die Allrounderin nämlich noch ihren Frieden schließen. 2012 in London hatte sie durch eine Fußverletzung gehandicapt nur Platz 30 belegt.
In ihrem Aufbau-Jahr hängt die Allrounderin die Erwartungen nicht zu hoch. Ob sie Ende Mai in Götzis startet, ist noch offen. Trotzdem wird sie mit wachen Augen verfolgen, was die Konkurrenz dort macht. Denn eine andere junge Mutti hat für das große Sportfest ihre Meldung abgegeben: Olympiasiegerin Jessica Ennis aus Großbritannien, die letzten Sommer einen Sohn zur Welt gebracht. (mz)