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Liebe in Zeiten des Profits Liebe in Zeiten des Profits: Diskussion über Ideal und Wirklichkeit einer Paarbeziehung

Von Mike Händler 11.05.2019, 08:00
Astrid Kohlhoff und Stefan Ebeling spielen das Paar, das keines mehr ist.
Astrid Kohlhoff und Stefan Ebeling spielen das Paar, das keines mehr ist. Silvio Beck

Halle (Saale) - Die Widersprüche der Liebe im Kapitalismus hat die Theaterformation Aggregate in dem Stück „Talk about Love“ verarbeitet. Das Drama feierte jetzt im voll besetzten WUK Theater Quartier in Halle seine Premiere. Astrid Kohlhoff und Stefan Ebeling als ehemaliges Paar haben dabei überzeugt.

Als Spielfläche hat Regisseur Silvio Beck die Umkehr von Kasimir Malewitschs schwarzem Quadrat auf weißem Grund gewählt. Dort findet der Kampf der Geschlechter statt, stets am dunklen Abgrund.

Was von den Idealen bleibt

Eine Frau und ein Mann rekapitulieren ihre Beziehung. Als einstige Gemeinschaft diskutieren sie die idealisierte romantische Liebe und was davon in der heutigen Gesellschaft übrig bleibt. Das Stichwort „Postmoderne“ illustriert denn auch treffend das collagenhaft angelegte Drama.

Beide reflektieren die Probleme einer lange währenden Verbindung. Die Alternative einer individuellen oder gemeinschaftlichen Lebensführung dient hier als Blaupause. Wie viel Raum gewähre ich dem anderen und wie viel bleibt am Ende übrig für mich selbst? Diese Frage nach persönlichem Profit spiegelt sichtbar das Leben in der kapitalistischen Gesellschaft wieder.

Kohlhoff und Ebeling ziehen sämtliche Register der menschlichen Gefühlswelt. Impulsiv, wütend und nachdenklich debattieren sie die Szenen ihrer erstorbenen Liebe. Auffällig ist darüber hinaus, dass ihr nonverbales Spiel mit Requisiten dem Zuschauer Rätsel aufgibt. Und manchmal herrscht schlicht Stille im Raum. Das birgt Zeit, um das Geschehen zu verarbeiten.

Die direkte Ansprache des Publikums verfehlt ihre Wirkung nicht. Spontane Reaktionen ergeben sich. Die Versuchsanordnung führt teils in akademische Auseinandersetzungen. Stellvertretend dafür steht die Dekonstruktion von Shakespeares Liebespaar Romeo und Julia.

Und so ist auch der aktuelle Begriff der „alten, weißen Männer“ Teil des Disputs. Und die Frage schließt sich an: Was wäre eigentlich, wenn es sie nie gegeben hätte? Die „Sprache“ der Liebe intonieren die Schauspieler gekonnt in mehrsprachigen Gesangsstücken. Hier wird das Geheimnis der Liebe nachvollziehbar. Demgegenüber werden Fehlstellen und Stereotype einer Beziehung gestellt. „Talk about Love“ verarbeitet männliche und weibliche Perspektiven.

Ironisches Spiel

Zwang und Zwanglosigkeit wandeln sich in ein absurd-ironisches Spiel, das schlussendlich in Bewegungslosigkeit verharrt. Die modernen Spielarten der Liebe werden darüber hinaus exemplarisch mit Polyamorie und der Frage nach der Identität aufgegriffen.

Der Mythos Liebe bleibt in der zeitgenössisch angesagten individuellen Verwirklichung ein Widerspruch in sich selbst. Das ist die Quintessenz des Dramas. Der lange anhaltende Applaus für das Stück fegte jegliche Zweifel für die Relevanz des Themas hinweg. Das Gespräch über die Liebe bleibt aktueller denn je. (mz)