Leute von nebenan Leute von nebenan: Hübsche aus dem Jahr 1781
Halle/MZ. - Nach vielen Blessuren kam sie schließlich zum Geigenbau-Meister Schade in die Ludwig-Wucherer-Straße 3. Und hier gelangte sie in die Hände von Rodolfo Angilletta. Der 28-jährige Geigenbauer-Geselle aus dem Ruhrgebiet, Spross italienischer Einwanderer, war als Teenager ein "typischer Garagenmusiker", probierte auf der Gitarre von Rock bis Klassik alles aus. Als er Noten lernen wollte, schrieb er sich in einer Musikschule ein - mit der Geige. Da war er 16 und unheilbar fasziniert von dem Instrument.
"Warum baust du die Dinger nicht einfach?" Mit dieser Frage an sich selbst beendete er die kurze Ratlosigkeit nach dem Abitur. Er ging ins italienische Cremona zur Geigenbauer-Ausbildung. Danach drei Jahre Düsseldorf, seit Herbst vergangenen Jahres ist er in Halle. "Der Wechsel war wichtig, um weiter zu lernen, aber auch für die persönliche Entwicklung."
Der Mann mit dem blonden Lockenzopf bedient so gar nicht das Klischee des italienischen Machos: Er möchte nicht während der Arbeit befragt werden, auch stumme Zuschauer lässt er ungern zu. "Geigen zu reparieren verlangt die ganze Aufmerksamkeit", sagt er ernst. "Jede hat ihre Eigenheiten, da muss ich mich auf Kleinigkeiten voll konzentrieren."
Die Instrumente sind für ihn nicht nur Klangwerkzeuge. "Vor allem sind sie Kunstwerke", sagt Angilletta. "Auch der Geigenbau ist eine Kunst." Ob eine Geige schön ist oder schön klingt - da ist er sicher - könne man nicht rational entscheiden. "Das Gefühl dafür entwickle ich langsam." Weniger durch das Bauen als durch das Reparieren. Bevor man eine alte Geige reparieren dürfe, müsse man einige gebaut haben. Reparatur sei die Kür.
Ein besonderes Erlebnis mit einem sehr alten Instrument hatte Angilletta auf dem Leipziger Kammerorchester-Festival im vergangenen Oktober: Da durfte er für Minuten eine Geige des berühmten Giuseppe Guarnieri aus Cremona studieren. Der starb 1744 und war neben Stradivari einer der meist kopierten Meister. Sein Beiname "del Gesu" (zu deutsch etwa: der Jesusgleiche) spricht Bände und erklärt, warum für Angilletta ein Heiligenschein das Instrument umgibt.
Den Namen des "supernetten Besitzers" weiß er nicht mehr. "Ich kann mich nur noch an die Geige erinnern."