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Halles Bahnhof ferngesteuert Leipzig: Zu Besuch im Gehirn der Deutschen Bahn in Mitteldeutschland

Von Oliver Müller-Lorey 07.02.2018, 07:00
Fahrdienstleiter Michael Barth stellt von Leipzig aus die Weichen für Halle. Auch Signale und Schranken werden hier bedient.
Fahrdienstleiter Michael Barth stellt von Leipzig aus die Weichen für Halle. Auch Signale und Schranken werden hier bedient. Oliver Müller-Lorey

Halle (Saale) - Es ist früh am Morgen auf dem halleschen Hauptbahnhof, da ertönt ein Gong. Information zum Regionalexpress aus Magdeburg, sagt die Stimme von Band, „heute voraussichtlich fünf Minuten später.“ Was viele der Pendler, die jetzt genervt auf ihre Uhr schauen, nicht wissen: Auch rund 40 Kilometer weiter südöstlich steigt bei einigen der Blutdruck.

In einem unscheinbaren Gebäude in der Nähe des Leipziger Hauptbahnhofs werden alle Züge, die in den halleschen Hauptbahnhof ein- und ausfahren, gesteuert. Das passiert schon seit Jahren nicht mehr in Halle selbst.

Die sogenannten Fahrdienstleiter, die Weichen stellen und Signale freigeben, versuchen, den Zugverkehr von der sächsischen Metropole aus reibungslos durch den Hauptbahnhof zu schleusen, und da stört jede Sekunde Verspätung den Ablauf. Dass die Fahrdienstleiter die wartenden Passagiere dabei nicht mehr sehen, weil sie in einem abgedunkelten und schallgedämpften Großraumbüro in Leipzig sitzen, ist dabei egal.

„Von der Eisenbahnromantik ist mit dem Umzug nach Leipzig natürlich viel verloren gegangen“

Alle Signale, Schranken, Ein- und Ausfahrterlaubnisse in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Teilen von Brandenburg werden von hier aus gesteuert. Das war früher anders. Michael Barth, der vor acht Bildschirmen mit vielen bunten Linien und Punkten sitzt, arbeitete früher im halleschen Stellwerk „HP 5“.

Das sogenannte Brückenstellwerk, das inzwischen abgerissen wurde, befand sich am südlichen Ende des Hauptbahnhofs. Züge fuhren darunter hindurch, für Eisenbahn-Liebhaber war es fast schon ein Denkmal. „Von der Eisenbahnromantik ist mit dem Umzug nach Leipzig natürlich viel verloren gegangen“, sagt Barth.

Aber die Bedienbarkeit sei deutlich verbessert worden. Statt an Knöpfen und Hebeln aus dem frühen 20. Jahrhundert herumzudrücken, werden die Weichen heutzutage mit einem Mausklick gestellt. Die Gleise sind schematisch durch Linien dargestellt, Züge mit ihrer individuellen Zugnummer gekennzeichnet.

Wirrwarr aus Linien, Punkten und Zahlen

Kündigt sich ein Zug in Richtung Halle an, sprechen die Fahrdienstleiter untereinander ab, wer ihn übernimmt und schalten dann die Fahrstrecke für den Zug frei. Dabei sind Abfahrten sogar bis auf die Zehntelsekunde genau getimed.

Auch wenn für Laien das Wirrwarr aus Linien, Punkten und Zahlen kaum zu überblicken ist und Fahrdienstleiter eine mehrjährige Ausbildung machen müssen, bis sie Züge leiten dürfen, der Hauptbahnhof und der „Zugbildungsanlage“ genannte Güterbahnhof sind gut auf den Bildschirmen zu erkennen. Zur besseren Übersicht ist der hallesche Hauptbahnhof in einen West- und einen Ostabschnitt geteilt.

Für den westlichen Abschnitt arbeiten drei, für den östlichen zwei Fahrdienstleiter - und zwar rund um die Uhr. „Nachts ist aber nicht weniger zu tun als tagsüber“, sagt Barth. „Da kommen nämlich die ganzen Güterzüge durch.“ Natürlich hat er es am liebsten, wenn der Betrieb reibungslos funktioniert.

„Aber richtig spannend wird es doch erst, wenn es drunter und drüber geht. Planmäßig kann jeder.“ Drunter und drüber geht es etwa bei Stürmen wie dem Orkantief Kyrill im Jahr 2007 oder „Friederike“ vor einigen Wochen. Fällt etwa ein Baum auf die Oberleitung, müssen die Fahrdienstleiter und ihre Vorgesetzten alternative Routen für die Züge finden. Eine Gefahr dabei ist, dass es einen Stau gibt, Züge auf Weichen stehenbleiben und somit alles blockieren. Und rückwärtsfahren - das geht so gut wie nicht im Schienenverkehr.

Komplizierte Struktur in Betriebszentrale in Leipzig

Die Betriebszentrale in Leipzig ist für Außenstehende sehr kompliziert aufgebaut. Bei der Steuerung von Zügen spielen Stadt-, Landkreis- oder Ländergrenzen so gut wie keine Rolle. Die Bahn hat Gebiete nach ihrem eigenen Muster abgesteckt. So gibt es in der Betriebszentrale Leipzig mit rund 400 Mitarbeitern 14 sogenannte Steuerbezirke mit 38 Unterzentralen. Halle etwa ist in Steuerbezirk 8 integriert und in die beiden Unterzentralen Halle-Ost und Halle-West unterteilt.

In den drei Großraumbüros in der Leipziger Betriebszentrale gehört zu jedem Steuerbezirk eine Art Rondell, in dem die Fahrdienstleiter an ihren Computern sitzen. Sie sprechen sich untereinander ab. (mz)

Das alte Brückenstellwerk HP 5
Das alte Brückenstellwerk HP 5
Deutsche Bahn