Ladensterben am Boulevard Ladensterben in Halle (Saale): Darum laufen dem Boulevard die Kunden weg

Halle (Saale) - Eine breite, von Bäumen gesäumte Prachtstraße. Genau das versteht man unter dem Wort Boulevard. Die Leipziger Straße in Halle hat damit wenig gemein. Wer zwischen Hauptbahnhof und Marktplatz unterwegs ist, passiert zwangsläufig verwaiste Geschäftsräume. Ähnlich sieht es in der Schmeerstraße und der Großen Ulrichstraße aus. Ein Problem, das sich nach Zahlen der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau immer weiter verschärft. Doch woran liegt es, dass Flächen in bester Lage leerstehen?
Nur wenige attraktive Läden in Halle - selbst Ketten bleiben nicht lange
Laut Monika Rank hat der Beruf des Verkäufers an Reiz verloren. „Junge Leute trauen sich heutzutage nicht mehr, das Risiko einzugehen und ein Geschäft zu eröffnen“, so Rank.
Sie selbst führt seit mehr als zwei Jahrzehnten ein Dessous-Geschäft in der Schmeerstraße und beobachtet seit Jahren, dass es stetig weniger Menschen zum Bummel in die Innenstadt zieht. „Es gibt wenige attraktive Läden hier. Wenn, dann sind das nur Ketten und selbst die bleiben meist nicht lange.“
Kunden fahren lieber nach Leipzig: In Halles Innenstadt fehlen die schönen Orte zum Verweilen
Da das Angebot an hochwertigen Waren gering ist, würden besonders gutbetuchte Kunden eher nach Leipzig fahren. Dort sei mehr los, man könne sich auch mal hinsetzen und rumschauen. Diese Gelegenheiten zum Verweilen sind aus ihrer Sicht in Halle rar: „Es fehlen schöne Orte am Boulevard wie Bistros, an denen man sich gerne aufhält.“
Zu diesen Orten allerdings müssen die Kunden erst einmal gelangen. Laut Ingrid Tauschel wird ihnen das in Halle nicht leicht gemacht. „Das Problem ist, dass Leute hier nicht richtig parken können“, sagt die Inhaberin der Parfümerie Tauschel.
Ladensterben in der Innenstadt: Hat Halle nach der Wende geschlafen?
In Einkaufszentren wie Nova Eventis sei das unkompliziert und kostenlos möglich. Die Konkurrenz hat sich die Stadt laut Tauschel selbst auf die Fahne zu schreiben. „Halle hat nach der Wende geschlafen.“
Damals hätte man zugelassen, dass vor der Stadt große Shoppingzentren eröffnen. Um mithalten zu können, sei Eigeninitiative gefragt. In der Parfümerie in der Großen Ulrichstraße setzt man auf Aktionen wie das Sommerfest, bei dem zur Beratung Getränke und Häppchen gereicht werden. Einfach Waren anzubieten reicht laut Tauschel heutzutage nicht mehr aus.
Händler müssten aktiv werden und ein Einkaufserlebnis bieten. Dann kämen auch die Kunden. „Die Leute wollen nicht, dass der Handel stirbt.“
Legt die Stadt nicht genügend Fokus darauf, attraktive Marken anzulocken?
Das zu verhindern liegt auch in den Händen der hiesigen Bevölkerung, findet Tobias Arndt. „Ich selbst bin Hallenser und gebe mein Geld nur in meiner Heimatstadt aus“, sagt der Filialleiter des Modehauses Fischer. Seiner Meinung nach braucht die Innenstadt mehr attraktive Marken.
Um diese nach Halle zu holen, müssten sich die Verantwortlichen an einen Tisch setzen und ein Konzept entwickeln. „Man muss mehr darauf achten, welche Geschäfte sich hier ansiedeln“, so Arndt. Mit dem Boulevard und der Verbindung zum Bahnhof seien die Voraussetzungen für eine attraktive Innenstadt grundsätzlich gegeben.
Auf diesen Standort haben auch Simone Kästner und Lothar Apitz gesetzt, als sie 2015 ihr Geschäft „Inspiration Damenmode“ am oberen Boulevard eröffneten. „Zu DDR-Zeiten war der Boulevard stark frequentiert“, so Kästner. Davon kann keine Rede mehr sein. „Wir denken deshalb über einen Umzug nach“, sagt Kästner. Sie sieht die Auswahl an Geschäften in der Straße kritisch. „Die Stadt aber kann da nichts machen. Die Entscheidung liegt bei den Vermietern.“ Und für die spiele es keine Rolle, wer sich in ihre Läden einmietet, so der Eindruck der Händlerin. (mz)

