Geschäftesterben in Halle Geschäftesterben in Halle: Innenstadt leidet unter einem zu geringen Umsatz

Halle (Saale) - „Am Puls der Stadt - Ihr neues Ladengeschäft“ ist quer über die leeren Schaufensterscheiben geklebt. Gesucht wird ein neuer Händler für das verwaiste Objekt in der Großen Ulrichstraße, kein leichtes Unterfangen. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau standen in Halles Innenstadt bei der Erfassung Anfang des Jahres 79 Geschäfte leer, vier weniger als 2012.
Besonders dramatisch ist der Rückgang der Verkaufsfläche in Fachgeschäften des Einzelhandels - sie sank um 11,6 Prozent im Vergleich zu 2012. „Halle muss gegensteuern. Der Handel schafft das nicht alleine, auch nicht die City-Gemeinschaft. Hier ist die ganze Stadt gefordert“, sagt Antje Bauer, Geschäftsführerin für die Unternehmensförderung in der IHK. Der Leerstand im gesamten Stadtgebiet betrage 25 Prozent.
Verkaufsflächen in der City von Halle schrumpfen
Am Montagabend hatte sich die IHK mit Händlern, Vertretern der Stadtverwaltung und des Stadtrats getroffen, um die Daten aus dem neuen Handelsatlas auszuwerten. Um 16,4 Prozent sind die Verkaufsflächen in der City mit Blick auf 2012 geschrumpft, dezentral ging es hingegen um 22,3 Prozent aufwärts - ein Verdienst großer Supermärkte wie Edeka oder Rewe, die in Halle kräftig investieren. Dem Innenstadthandel, vor allem den kleineren Läden, hilft das aber kaum.
„Dabei sind die Voraussetzungen in Halle gut. Wer der Stadt zum ersten Mal besucht, ist baff“, erklärt die IHK-Chefin. Der größte Knackpunkt Halles ist die Einzelhandelszentralität. Sie misst das Kaufverhalten. In vergleichbaren Städten von Halles Größe liegt der Wert laut Bauer bei 130 Prozent. Das bedeutet, dass neben den Einwohnern der Stadt auch die Leute aus dem Umland zum Einkaufen in die City strömen. Halle allerdings komme aktuell nur auf knapp 102 Prozent, 2007 waren es noch 111 Prozent.
Umland von Halle ist zu schwach, der Saalekreis verliert Einwohner
„Das Umland ist zu schwach, der Saalekreis verliert Einwohner. Hinzu kommt der Wettbewerb“, sagt Eddy Donat von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) aus Dresden, die den Handelsatlas erstellt hat und dafür im IHK-Kammerbezirk 141.689 Einzeldaten auswertete. Demnach sind neben dem Internethandel (der allen zu schaffen macht) Leipzig, das Nova Eventis, der Westharz und Berlin die größte Konkurrenz der Stadt Halle.
Das Outletcenter in Brehna wiederum falle weniger ins Gewicht. „Man muss sich doch nur auf dem Hauptbahnhof umschauen. Dort sieht man viele Hallenser, die mit vollen Einkaufstüten aus der S-Bahn steigen, die aus Leipzig kommt“, sagt Uwe Stäglin, Beigeordneter für Stadtentwicklung in Halle. Und er prognostiziert, dass der Einkaufsbummel in Leipzig noch attraktiver wird, wenn erst das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz fertig ist und die Leute dann von Nietleben ohne Umsteigen bis in die Messestadt reisen können.
CDU-Stadtrat fordert bessere Erreichbarkeit der Innenstadt für Autofahrer und mehr Parkplätze
„Noch bleibt uns Zeit, eine Antwort zu finden“, sagt er. Robert Weber, Vorsitzender der City-Gemeinschaft, fordert wie CDU-Stadtrat Christoph Bernstiel eine bessere Erreichbarkeit der Innenstadt für Autofahrer und mehr Parkplätze. Der Individualverkehr dürfe nicht ausgebremst werden. Bernstiel plädiert zudem für einen Maßnahmeplan, um die Attraktivität der Innenstadt zu steigern.
Donat von der GMA pflichtet ihnen bei. „Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass jene Kunden das meiste Geld beim Einkaufen ausgeben, die mit dem Auto in die Stadt kommen. Wird der Autoverkehr blockiert oder gehemmt, geht der Umsatz zurück.“
Stadtmarketing Halle sieht Potenzial in Tagestouristen
Stefan Voß, der Chef des Stadtmarketings in Halle, hält deshalb „Anwohnerbündnisse mit Abschleppunternehmen“, die Falschparker auf dem Kieker haben, für falsch. Vielmehr müsse man auch für Autofahrer mehr Angebote schaffen, damit sie nach Halle wollen. Und er sieht großes Potenzial in den fünf bis sechs Millionen Tagestouristen, die jährlich nach Halle reisen.
„Wir wollen einen Radschnellweg nach Leipzig bauen. Wir brauchen aber auch vernünftige Gehwege vom Bushalt auf dem Hallmarkt zu den Geschäften und eine bessere sanitäre Ausstattung.“ Es könne nicht sein, dass sich immer wieder vor der einzigen Toilettenanlage in der Stadtinformation lange Schlangen bildeten. Voß sieht hier Möglichkeiten in den großen Kaufhäusern. Hier könnten Anlagen wie auf Autobahnraststätten installiert werden. Dort zahlen Reisende einen Obolus für die Verrichtung der Notdurft und erhalten einen Teil der Summe als Gutschein für den Einkaufs-Shop zurück.
Für Halle ist Hopfen und Malz nicht verloren, verdeutlicht die GMA. „Die Investoren suchen auch weiterhin die Nähe zu den Kunden“, sagt Donat. Und Halles Einwohnerzahl wächst. Das ist natürlich von Vorteil. (mz)