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  7. Long-Covid und Impfschäden: Prozess gegen Biontech in Halle

Krank nach Impfung Klage gegen Biontech - wie eine Hallenserin vor Gericht um Anerkennung kämpft

Oxana Garder ist davon überzeugt, dass die Immunisierung gegen Covid sie krank gemacht hat. Deswegen verklagt die 38-jährige Hallenserin Biontech. Der Prozess läuft für die Physiotherapeutin jedoch anders als erhofft.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 24.01.2025, 12:26
Sie will Schadenersatz von Biontech haben: Oxana Garder im Landgericht in Halle
Sie will Schadenersatz von Biontech haben: Oxana Garder im Landgericht in Halle Foto: Julius Lukas

Halle/MZ. - Schon während die Richterin ihre Erörterungen vorträgt, fließen bei Oxana Garder Tränen über die Wangen. Sie sitzt am Mittwochnachmittag im Landgericht in Halle. Hier wird ihr Fall verhandelt. Die 38-Jährige hat gegen Biontech geklagt, die Pharmafirma, die mit Comirnaty einen der am häufigsten eingesetzten Impfstoffe gegen Covid entwickelte. Im August 2021 wurde auch Garder mit Comirnaty geimpft. „Danach hat sich mein Leben verändert“, erzählt die Physiotherapeutin. Sie sei krank geworden, habe viele Beschwerden und derzeit Pflegestufe 3. „Irgendjemand muss dafür doch die Verantwortung übernehmen.“

Mehr als 1.000 Fälle wegen Impfschaden in Deutschland vor Gericht

Weit mehr als tausend Fälle wie der von Oxana Garder wurden und werden vor deutschen Gerichten verhandelt. Allein die Kanzlei Cäsar-Preller, die auch die Hallenserin vertritt, betreibt derzeit etwa 400 Klageverfahren. Doch die Erfolgsaussichten – das zeigen bisherige Prozesse – sind gering. „Es gibt hohe juristische Hürden“, erklärt Kanzleiinhaber Joachim Cäsar-Preller. Es sei wie David gegen Goliath. „Die Pharmafirmen verfügen über große finanzielle Mittel, denen die Kläger, die noch dazu in der Beweispflicht sind, kaum etwas entgegensetzen können.“

Das Problem, vor dem auch Oxana Garder steht: Sie muss nachweisen, dass ihre Erkrankungen mit dem Impfstoff zusammenhängen. Die Mutter zweier Kinder leidet am Erschöpfungssyndrom ME/CFS, hat immer wieder starke Schmerzen im Körper und Konzentrationsstörungen.

Im Prozess erkennt Richterin Anne Geyer das auch explizit an. Den Zusammenhang zur Injektion könnten sie und ihre Kammer jedoch nicht ziehen. „Es kann an der Impfung gelegen haben“, so die Vorsitzende. „Ob es das aber tatsächlich tat, können wir nicht entscheiden – wir sind Juristen, keine Mediziner.“ Und aus den von der Klageseite eingereichten Gutachten gehe der Zusammenhang nicht hervor.

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Anerkennung von Impfschäden: Eine Seltenheit

Schon beim Landesverwaltungsamt war Garder daran gescheitert, ihren Impfschaden anerkennen zu lassen. Bisher ist das in Sachsen-Anhalt vier Menschen gelungen. „Ich habe Widerspruch gegen die Ablehnung eingelegt“, erzählt die 38-Jährige. 2023 war das. „Und seitdem habe ich nichts mehr gehört.“

Mehrere Milliarden Impfdosen hat Biontech von seinem Impfstoff Comirnaty  verkauft.
Mehrere Milliarden Impfdosen hat Biontech von seinem Impfstoff Comirnaty verkauft.
(Foto: IMAGO/Future Image)

Mit anerkanntem Impfschaden stünden ihr finanzielle Hilfen zu. Im Zivilprozess am Landgericht geht es aber auch um Schadensersatz, der höher ausfallen würde. Dazu müsste jedoch ein Schuldiger für Oxana Garders Beeinträchtigungen festgestellt werden. Aus ihrer Sicht ist das der Hersteller des Impfstoffs, Biontech. Wie sich im Verfahren in Halle zeigt, ist es so einfach jedoch nicht.

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An dieser Stelle ist die Nutzen-Risiko-Abwägung wichtig. Denn niemand, auch Biontech nicht, bestreitet, dass die Impfung Nebenwirkungen haben kann. Entscheidend ist aber, ob der Nutzen der Impfung – also die Immunisierung der Bevölkerung und damit die Vermeidung vieler Ansteckungen – größer ist als dessen Risiko.

Die Kammer in Halle sieht das schon dadurch gegeben, dass der Impfstoff von mit Experten besetzten Kammern wie etwa der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen wurde. An anderen Gerichten wurden zur Sicherheit des Impfstoffs auch Fachleute gehört, die die Zulassung ebenso bestätigten. Risiken für den Einzelnen durften also in Kauf genommen werden, sagt Richterin Geyer: „So hart das für den Einzelnen auch ist“.

Anwältin von Biontech: Alle Fälle gewonnen

Die Anwältin von Biontech, Alexandra Diehl von der Frankfurter Kanzlei White & Case, betont während des Prozesses mehrfach, dass ihr der Zustand von Oxana Garder leid tue. Bisher habe Biontech jedes Verfahren, das wegen Comirnaty geführt wurde, gewonnen. Klageanwalt Joachim Cäsar-Preller empfindet den Umgang mit den Geschädigten als unanständig. „Mit den Impfstoffen wurden Milliarden verdient, Vergleichsangebote gibt es jedoch keine.“

Dabei gehe es um eher geringe Summen von 80.000 bis 100.000 Euro pro Fall. „Während der Pandemie sollten alle solidarisch sein“, meint Cäsar-Preller. „Jetzt stehen die, die solidarisch waren, allein da.“

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In Halle wird im März wieder verhandelt. Anwalt Cäsar-Preller hofft, dass das Gericht noch Sachverständige lädt. Oxana Garder sagt, dass sie weiter kämpfen wolle, ihr aber die Kraft ausgehe. Lange war sie auch bei der Initiative „Nicht Genesen“ aktiv, die sich für Betroffene von Long-Covid, ME/CFS oder Post-Vac einsetzt. „Das habe ich jetzt aufgegeben, weil ich die wenigen Ressourcen, die ich habe, lieber für meine Familie einsetzen will“, sagt Garder.

Impfschaden bei vier Personen in Sachsen-Anhalt anerkannt

Vier Impfschäden anerkanntIn Sachsen-Anhalt wurde laut Landesverwaltungsamt seit Beginn der Covid-Impfkampagne bei vier Personen ein Impfschaden anerkannt. Dabei handelt es sich um eine dauerhafte sowie drei vorübergehende Gesundheitsstörungen.

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Insgesamt habe es 374 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens von Betroffenen und 17 Anträge von Hinterbliebenen gegeben. In den Anträgen wurden nach Angabe des Landesverwaltungsamtes Erkrankungen wie Müdigkeit, Kopf- und Gelenkschmerzen, Myokarditis (Herzmuskelentzündung), Lungenembolie oder auch Schlaganfälle geltend gemacht. Bei anerkanntem Impfschaden kann es eine Entschädigung geben. In Sachsen-Anhalt wurden 1,6 Millionen Menschen mit einem Covid-Impfstoff geimpft.