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Karneval Karneval: Riesen-Jungfrau mit Vollbart teilt aus

Von RALF BÖHME 07.02.2010, 17:24

LIESKAU/WALLWITZ/MZ. - 150 Kilogramm Bühnenpräsenz

Der Wettstreit um den ausgeflipptesten Auftritt galt in Lieskau als ausgemachte Chefsache. Vereinspräsident Ulrich Liesegang eroberte als Riesen-Jungfrau verkleidet die Herzen der Zuschauer im Traditionsgasthof "Friedenseiche". Mit 150 Kilogramm, die dabei auf 1,97 Meter lichte Höhe verteilt sind, ist Bühnenpräsenz nach seinen eigenen Worten dabei kein Problem. Viereinhalb Quadratmeter an Leinenstoff und reichlich Spitzenbesatz kamen in Wallung, als der am Heiderand wohl bekannteste Vollbart kraftvoll seine witzig bis geistreichen Seitenhiebe austeilte.

Unterstützt von einem Mönch, zusammen waren sie das Lieskauer Zweigestirn, trieb die Jungfrau ihre Scherze für Hartgesottene. Nichts, was im seit Januar zur Einheitsgemeinde Salzatal gehörenden Ortschaft passiert, schien den vielleicht bestinformiertesten Narren der Region entgangen zu sein. Da wurden Hinter- und Abgründe ausgeleuchtet, wie sie das Leben schrieb - zur Freude der Gäste im ausverkauften Saal. Anlass zu manch heißer Debatte an den Tischen bot beispielsweise der von der Jungfrau kommentierte häufige Trainerwechsel im örtlichen Fußballbetrieb.

Obwohl der Karneval in Lieskau schon 1953 aus der Taufe gehoben wurde, musste der Verein in dieser Session laut Liesegang mächtig kämpfen. 70 Mitglieder zählt die Truppe, doch trotz toller Einfälle und professioneller Tänze und Gags sitzt das Geld auch in Lieskau nicht mehr so locker. Waren elf Euro pro Ticket manchem potenziellen Zuschauer doch zu viel?

In Wallwitz am Petersberg hielten die Narren den Preisball bemerkenswert flach. Acht Euro kostete dort ein heißer Samstagabend im Kulturhaus.

Pirat ohne Furcht und Tadel

Dass Karnevalspräsidentin Barbara Depping das Zepter fest in der Hand hielt, war während des zweieinhalbstündigen Programms allenthalben spürbar. Tusch auf Tusch krachten die scharfgeschliffene Pointen. Einen großen Auftritt lieferte Falk Röder ab, der als Pirat ohne Furcht und Tadel selbst die Mumien der großen Politik attackierte. Seine Talente offenbarte der Baustoff-Lagerist, der seit 1987 die Vereinstrommel rührt, beim Anfassen heißer Eisen. Ob Abwrackprämie oder Familienministerin ohne Familie, ob Lohndumping oder das berühmte "Madl im Speck" - diese Büttenrede des 44-Jährigen traf den Geschmack des zumeist schrill gekleideten Publikums. Ob als schönes Wild-West-Girl mit lustigen Zöpfen oder im Nachthemd mit Schlafmütze und Filzlatschen - eine Parodie auf den Box-Zirkus riss alle von den Plätzen. Im und am Ring prallten prominente Urgesteine aufeinander - so der frech parodierte Henry Maske. Und dann zeigten die Tanzgarden, wie man die Beine schwingt. Dass sich diese Lehrstunde lohnte, wurde sichtbar, als der ganze Saal den finalen Schneewalzer präsentierte. Spätestens damit war auch die ausgiebig genutzte Nacht der Kussfreiheit eröffnet.