Jungfernfahrt im Flixtrain Jungfernfahrt im Flixtrain von Halle nach Berlin: Ist der Sparzug eine Kampfansage an die Deutschen Bahn?

Halle (Saale) - Für fünf Euro gibt es einen Glühwein mit Schuss, einen Adventskalender - oder einen Fahrschein von Halle nach Berlin. Es ist eine Kampfansage an die Deutsche Bahn, die das junge, private Eisenbahnunternehmen „Flixtrain“ seit Anfang der Woche macht. Mit extrem günstigen Preisen will das Startup, das vor allem unter der Marke „Flixbus“ für seine Fernbusverbindungen bekannt ist, preisbewusste Kunden ansprechen und hat Halle auf der Strecke Stuttgart - Berlin in sein Netz aufgenommen.
„Günstige Zugreisen mit 100 Prozent Ökostrom“ verspricht Flixtrain, und: „Auf all unseren Verbindungen kommst du dank kostenlosem WLAN und Steckdosen nicht nur schnell, sondern auch komfortabel ans Ziel.“
Jungefernfahrt des neuen Flixtrain beginnt verspätet
Na, mal sehen! Um 19.40 Uhr soll der Zug vom Gleis 7 am halleschen Hauptbahnhof starten und eine Stunde und 24 Minuten später am Hauptbahnhof in Berlin ankommen. Die Reise beginnt ähnlich, wie es viele Passagiere von der Deutschen Bahn kennen: mit 15 Minuten Verspätung.
Um 19.55 Uhr fährt ein froschgrüner Zug mit einer modern aussehenden Lok und vielen Waggons dahinter ein. Mehrere Dutzend Reisende steigen in den Zug, der an vergangene Tage der Deutschen Bahn, als es noch „Interregio-Züge“ gab, erinnert: schwarzer Gummifußboden mit Noppen, beige Wände, gestreifte Vorhänge, Türen, die mit einem Hebel und Muskelkraft statt auf Knopfdruck geöffnet werden.
Waggon-Innere des Flixtrains erinnert an ehemalige Eurocityzügen
Alles in zusammengewürfelten Waggons. Manche sind in Abteile für jeweils sechs Fahrgäste eingeteilt, in anderen sieht es aus wie in ehemalige Eurocityzügen, mit versetzt angeordneten Sesseln. Der letzte Wagen sieht hingegen modern aus. Dort gibt es auch Abteile, aber die Sitze wurden in Rot- und Brauntönen neu gepolstert. Ein ausklappbarer Holztisch ragt vom Fenster aus in den Raum hinein.
Dann setzt sich der Zug in Bewegung und rollt ruhig hinein in die schwarze Nacht. Im hinteren, renovierten Teil sitzt Fabian Stenger, Geschäftsführer von Flixbus und Flixtrain Deutschland. Er will das neue Angebot bekannter machen. Und dann ein Start mit 15 Minuten Verspätung! „Signalstörung“, sagt der 34-Jährige nur und rollt mit den Augen. Für die Verspätung könne Flixtrain nichts.
Kampf (-sage) mit der Deutschen Bahn
Für die Schienen, den Strom und die Signale sei die Firma „DB Netze“ zuständig. Bei ihr beantragt Flixtrain auch die „Slots“, das heißt Zeitpunkte, zu denen die Züge fahren dürfen. Mindestens einmal, manchmal sogar zweimal täglich fährt der Zug. „Bei der Vergabe der Slots geht es größtenteils fair zu“, sagt Stenger.
Nicht fair sei allerdings die Tatsache, dass die DB viele Flixtrainfahrten nicht in ihrer App anzeige. „Der Kunde muss erst umständlich einen Haken bei ,schnellste Verbindung’ entfernen, damit wir angezeigt werden. Dazu läuft derzeit ein Gerichtsverfahren.“ Es seien diese Nickeligkeiten, mit der die mächtige Deutsche Bahn versuche, der Konkurrenz das Leben schwer zu machen.
Kiosk für Snacks - Fahrt im Flixtrain entspannt
Im Zug, der inzwischen durch Brandenburg fährt, bekommen die Fahrgäste davon nichts mit. Am „Zugkiosk“ kaufen Reisende Sandwiches für 3,80 Euro, Nudelsuppen für 3,50 Euro und Bier für 3 Euro. Man habe kein ICE-Bordrestaurant mit horrenden Preisen, sagt Stenger. Man richte sich an preisbewusste Kunden. Vor allem solche, die vor einer langen Fahrt mit einem Reisebus bisher zurückgeschreckt seien. Für sie sei eine Zugfahrt attraktiver.
Und tatsächlich fährt es sich entspannt im Flixtrain, sowohl in den renovierten Sesseln als auch auf den grün-violett-gestreiften alten DB-Sitzen, die schon immer hässlicher, aber bequemer waren als ein stylischer ICE-Sitz. In manchen Abteilen lässt sich die Fensterscheibe sogar zur Hälfte herunterziehen, so dass der Fahrtwind mit 200 Kilometern pro Stunde hereinweht.
Flixtrain - Reisen mit gewissem Nostalgiefaktor
Aus Sicherheitsgründen sind solche Fenster in modernen Zügen nicht mehr erlaubt - aber es hat schon etwas, das Reisen mit gewissem Nostalgiefaktor. Auch das WLAN funktioniert. Zwar nicht beim ersten Versuch, aber sei’s drum.
Und das wichtigste an der Fahrt, das Ankommen, klappt an diesem Abend bis auf die 15 Minuten Verspätung tadellos. Um 21.20 Uhr fährt Zug „FLX 10“ im modernen Tiefbahnhof Berlin ein. Die Weiterfahrt mit der U-Bahn kostet übrigens 2,80 Euro. Mehr als halb so viel wie die Zugfahrkarte. (mz)