Interview mit Katharina Brederlow Interview mit Katharina Brederlow: "Halle braucht dringend eine Schule in der Innenstadt"

Halle (Saale) - Die Wände in ihrem Büro sind noch kahl, die Möbel vom Vorgänger. Am Donnerstag hat Katharina Brederlow ihren neuen Job als Beigeordnete für Bildung, Soziales und Gesundheit angetreten. Damit führt sie den mit Abstand größten Geschäftsbereich in der Verwaltung. Vor ihrer Wahl zur Beigeordneten leitete Brederlow den Fachbereich Bildung und Jugend. Für die MZ hat Jan-Ole Prasse mit der 53-Jährigen über die Flüchtlingskrise und die Schulen sowie Kitas in Halle gesprochen.
Sind Sie gut ins neue Jahr und damit in ihre neue Rolle als Beigeordnete gekommen?
Katharina Brederlow: Ja. Privat und beruflich. Ich freue mich nach wie vor auf die neue Aufgabe. Auch wenn ich intensiv darüber nachdenke, was die ersten Prioritäten sind.
Und, welche sind das?
Brederlow: Aktuell vor allem die Besetzung von Stellen in meinem Geschäftsbereich, die vom Stadtrat im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation bewilligt worden sind. Insgesamt geht es um 180 bis zum Ende des Jahres in der gesamten Verwaltung, davon der größte Teil in meinem Bereich. Die werden Stück für Stück je nach aktuellen Asylbewerberzahlen vom Personalausschuss freigegeben.
Wird das die erhoffte Arbeitsentlastung bringen?
Brederlow: Aus meiner Sicht schon. Gerade bei der Bewilligung von Sozialleistungen wird die Arbeitsbelastung entschärft. Und in diesen Bereichen hatten wir - schon vor der Zuwanderung der Flüchtlinge - die größten Probleme.
Und die Kosten?
Brederlow: Ich gehe davon aus, dass Land und Bund alle Kosten im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation übernehmen und es nicht nur bei Bekenntnissen bleibt.
Wie wird sich die Flüchtlingssituation in diesem Jahr entwickeln?
Brederlow: Es ist eine Herausforderung, die bleibt. Ich gehe nicht davon aus, dass die Zahlen von 650 Flüchtlingen pro Monat deutlich sinken werden. Erste Aufgabe ist immer die Unterbringung der Flüchtlinge. Doch die weit größere Herausforderung ist die Integration der Asylbewerber, die anerkannt werden.
Nun wollen die Hälfte der Flüchtlinge nach ersten Umfragen in Halle bleiben. Wie ist die Integration zu schaffen?
Brederlow: In allererster Linie geht es um das Erlernen der Sprache. Dazu müssen wir viele Sprachkurse anbieten. Wichtig ist auch, die möglichst schnelle Vermittlung in Arbeit. Und natürlich geht es um Betreuungsangebote. Dazu gehört auch die Schaffung weiterer Kita- und Schulplätze.
Stichwort Kitas und Schulen. Halle braucht wegen der vielen Flüchtlingskinder bis zum Jahr 2018 umgerechnet eine neue Schule und drei neue Kitas für rund 16 Millionen Euro. Werden das Neubauten sein?
Brederlow: Das ist noch nicht klar. Wir sind momentan dabei, zwei Varianten zu prüfen. Zunächst schauen wir, ob durch weitere Brandschutzmaßnahmen in bestehenden Einrichtungen zusätzliche Räume und damit Plätze gewonnen werden können. Aber natürlich prüfen wir auch, wo alte, leerstehende Gebäude kurzfristig saniert werden können.
Wo konkret?
Brederlow: Aus meiner Sicht braucht Halle dringend eine neue Grundschule in der Innenstadt. Dort ist der Bedarf am größten - gerade um die Friesengrundschule zu entlasten. Im übrigen besteht dieses Problem schon länger, unabhängig von der aktuellen Zuwanderung.
Im vergangenen Jahr hat Halle ein Gymnasium und eine Gesamtschule gegründet. Wird das ausreichen?
Brederlow: Nach den aktuellen Prognosen reichen die beiden Schulen zunächst aus. Es könnte sich aber bei der Gesamtschule durchaus noch eine neue Situation ergeben. Denn auch die zweite IGS ist schon im ersten Jahr sehr gut ausgelastet. Hier müssen wir schauen, wie sich der Trend entwickelt.
Lesen Sie auf der nächsten Seite wie es um die Sanierung von Schulen steht und was Brederlow gegen die Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut unternehmen will.
Die Stadt hofft auf 60 Millionen Euro Fördergeld des Landes für die Sanierung von Schulen. Bisher konnten aber noch nicht einmal Anträge gestellt werden. Kommt das Geld?
Brederlow: Bisher ist noch nicht einmal die Förderrichtlinie endgültig klar. Ich befürchte aber, dass wir nicht alles bewilligt bekommen. Auch zeitlich könnte es bei der Sanierung der neuen Gesamtschule in der Rigaer Straße schwierig werden. Die muss spätestens im Jahr 2018 fertig sein. Im Zweifel müssen wir das Gebäude mit eigenem Geld sanieren.
Bei den Kitas beklagen Eltern lange Anfahrtszeiten. Wird das so bleiben?
Brederlow: Grundsätzlich wird sich daran nichts ändern. Es kann nur darum gehen, dass die Entfernung zur Kita zumutbar bleibt. Das ist in Halle mit dem relativ kleinen Stadtgebiet weitgehend der Fall. Dennoch brauchen wir Investitionen in neue Kitas vor allem in der Innenstadt. Aber die Wunschkita für jeden wird es nicht geben.
Halle hat große, soziale Probleme. Über 80 Prozent der Arbeitslosen sind Hartz-IV-Empfänger. Was wollen Sie dagegen tun?
Brederlow: Die Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Wichtig ist, dass wir uns um die jungen Langzeitarbeitslosen kümmern und alles dafür tun, sie wieder in Arbeit zu bringen.
Gleiches gilt bei der Kinderarmut. Mehr als ein Drittel der halleschen Kinder lebt von Hartz IV.
Brederlow: Zunächst ist Kinderarmut vor allem Familienarmut. Da müssen wir ansetzen und alles dafür tun, dass die Eltern in Arbeit kommen und damit zu einem Einkommen, das zum Leben reicht - unabhängig von Sozialleistungen. Und natürlich geht es um Investitionen in die Bildungslandschaft.
Wie würden Sie ihren Führungsstil beschreiben?
Brederlow: Kooperativ und dialogorientiert. Ich rede nicht über Personen, sondern mit ihnen. Aber eines ist bei Konflikten klar: Ich lasse mir nicht die Butter vom Brot nehmen.
Was soll von Ihnen nach sieben Jahren als Beigeordnete bleiben?
Brederlow: Zum einen, dass ich meinen Bereich gut gemanagt habe. Darum geht es in der Verwaltung zuallererst. Zum anderen hoffe ich, dass wir in sieben Jahren bei den Schulen nur noch einen Sanierungsstau von 150 Millionen Euro statt von 200 Millionen Euro haben. Das wäre schon ein Erfolg. (mz)