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Hallenser sprechen über Großwohnsiedlung „Ich mag Neustadt, weil ...“

Für eine große Sonderbeilage zum 60. Geburtstag des Stadtteils am 15. Juli sucht die MZ 60 Gesichter. In diesem Beitrag stellen wir einige von ihnen mit ihren Geschichten vor.

Von Dirk Skrzypczak und Kimberly Botte 27.06.2024, 18:00
Wer mit seinem Gesicht Teil  der Sonderbeilage werden möchte, kann sich ungezwungen im Gläsernen Büro der MZ im Neustadt Centrum melden.
Wer mit seinem Gesicht Teil der Sonderbeilage werden möchte, kann sich ungezwungen im Gläsernen Büro der MZ im Neustadt Centrum melden. Foto: Dirk Skrzypczak

Halle (Saale)/MZ - Ilony Lochny hat einen Zeitungsausschnitt vom 28. September 1969 in das Gläserne Büro der MZ im Neustadt Centrum mitgebracht. Vor 55 Jahren hatte die damals 22-Jährige unter ihrem Mädchennamen Frühauf den Job als Vorsteherin des neuen Tunnelbahnhofs in Halle-Neustadt angetreten. 70 Beschäftigte – die neue Buna-Bahn inbegriffen – gehörten zu ihrem Team. „Mit der Berufung der jungen Kollegin wird gleichzeitig der Forderung der Partei entsprochen, jungen entwicklungsfähigen Frauen leitende Funktionen zu übertragen“, steht im Bericht.

Ilona Lochny.
Ilona Lochny.
(Foto: Skrzypczak)

Ilona Lochny, mittlerweile 77 Jahre alt, ist eines der 60 Gesichter, die in der großen MZ-Sonderbeilage zum 60. Geburtstag des Stadtteils erscheinen. „Ich habe den größten Teil meines Lebens hier verbracht. Noch heute liebe ich die kurzen Wege. Früher hatte jeder Wohnkomplex seine eigene Poliklinik, Kindertagesstätte, Schule und Kaufhalle. So einen Luxus konnte die Stadt Halle nicht bieten“, erzählt sie.

Baustellen waren Spielplätze

Klaus-Peter Hilpert
Klaus-Peter Hilpert
(Foto: Kimberly Botte)

Klaus-Peter Hilpert, 67, ist ein Kind der Neustadt. „Hier ist seit 1968 meine Heimat. Ich habe miterlebt, wie die Stadt rasant gewachsen ist. Durch die ganzen Bauarbeiten waren Gummistiefel unsere ständigen Begleiter im Alltag“, erzählt er. Die Baustellen seien die Spielplätze der Kinder gewesen, „das war aufregend“. An seine Kindheit in Neustadt habe er durchweg gute Erinnerungen. „Meine Schule und Freunde, alles war direkt in der Umgebung. Es war für uns ein Luxus, hier wohnen zu dürfen, mit fließend warmen Wasser und Zentralheizung. Auch heute noch mag ich es, in Neustadt zu wohnen. Ich ziehe nicht weg“, sagt er.

Karsten Riemer
Karsten Riemer
(Foto: Kimberly Botte)

Karsten Riemer ist elf Jahre jünger als Hilpert. Der Lager- und Transportarbeiter fühlt sich in der Großwohnsiedlung ebenfalls wohl. „Durch meinen Beruf habe ich auch andere Städte kennengelernt, aber Neustadt ist für mich mein einzig wahres Zuhause. Ich bin hier aufgewachsen und fühle mich hier sehr wohl.“ Seine Familie lebe ebenfalls in Neustadt, diese Nähe zu ihnen sei wirklich schön. „Auch wenn viele schlecht über Neustadt reden, finde ich das in diesem Maße unbegründet.“ Hier zu wohnen, sei toll. Er könne es mir nicht mehr anders vorstellen.

Wenn Fotos sprechen

Gudrun Hensling
Gudrun Hensling
(Foto: Skrzypczak)

Wer etwas über Neustadt erfahren möchte, sollte sich die Fotos von Gudrun Hensling ansehen. 1965 kam die gebürtige Dresdnerin nach Halle. Von 1965 bis 1973 leitete sie das erste Fotostudio in der Neustädter Kammstraße. Seit 1967 lebt sie in Halles größtem Stadtteil – bis heute ist das so. „Neustadt ist hell und wahnsinnig grün. Ich mag es auch heute“, sagt sie. Die 83-Jährige kennt aber auch die abwertenden Bemerkungen über die einstige Chemiearbeiter-Stadt. „Wenn einem Leute sagen, dass sie mich gern in Halle treffen würden, aber nicht nach Neustadt kommen wollen, habe ich dafür kein Verständnis.“ Mit ihren Fotos schafft Gudrun Hensling jedenfalls Nähe und weckt Neugier. Ihre umfangreiche Sammlung will sie einmal dem Stadtarchiv zur Verfügung stellen. „Dort sind die Fotos in guten Händen, und Neustadt wird nicht vergessen“, sagt sie.

Zurück zu Ilona Lochny. Sie kann sich noch gut an den Festakt zur Eröffnung des Tunnelbahnhofs mit seinen 450 Meter langen Bahnsteigen erinnern. Auf der einen Seite hätten die S-Bahnen gehalten, auf der anderen die Buna-Züge. „Die Arbeiter wurden oft als Buna-Belzer bezeichnet. Für uns waren es die Betonameisen.“ Tausende Arbeiter hatten die Züge täglich befördert. „Viele Arbeiter hatten ihre Stammplätze. Saßen Fremde dort, bekamen sie einen Anpfiff“, erinnert sie sich.