Hallescher FC Hallescher FC: «Murren hilft doch nichts»
Halle (Saale)/MZ. - Jürgen Rittenauer hatte es am Sonntag-Nachmittag eilig. Schnell unter die Dusche, etwas essen und ab ins Auto. Trainer Sven Köhler hatte der Mannschaft zwei freie Tage genehmigt. Also kündigte sich der Torwart des Fußball-Regionalligisten HFC zu einem Kurzbesuch bei seiner Familie in Stuttgart an. "Ich war jetzt zwei Monate nicht dort. Deshalb nutze ich die Chance. Zwei Tage etwas anderes sehen, ein paar Freunde treffen und nur mal abschalten", sagt er.
Die knapp 500 Kilometer fährt der 25-Jährige normalerweise in vier Stunden. Am Sonntag aber brauchte er Geduld. "Das schlechte Wetter und ein Stau haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht", erzählt er. Geduld - die braucht "Ritte", wie ihn seine Mannschaftskollegen nennen, auch in seinem Job. Eigentlich trägt er beim Halleschen FC das Trikot mit der Nummer eins. Doch er ist nur die Nummer eins im Wartestand. Darko Horvat ist als Torwart gesetzt, und Rittenauer muss von Woche zu Woche, von Spiel zu Spiel auf seine Chance warten. Und das mittlerweile seit zwei Jahren und zwei Monaten. Ganze zwei Partien in der Regionalliga hat er in dieser Zeit absolviert. Zum Ende der vorletzten Saison beim VfB Lübeck (1:1) und im Mai dieses Jahres beim 0:2 bei RB Leipzig.
Im Landespokal dagegen macht Köhler immer mal eine Ausnahme. So wie jetzt, beim 10:1-Erfolg über den Achtligisten Blau-Weiß Biere. Rittenauer bekam sein erstes Pflichtspiel in dieser Saison über 90 Minuten. Genauso übrigens wie Verteidiger Jan Benes, der in den ersten vier Ligaspielen noch nicht zum Einsatz gekommen ist.
Auch wenn es ihm schwer fällt, Rittenauer hat sich mit seinem Los abgefunden. "Murren hilft doch nichts. Ich haue mich in jedem Training aufs Neue voll rein. Jeder Ersatzspieler hat doch immer zwei Prozent Hoffnung, dass es mit einem Einsatz klappt", sagt er.
Umso mehr ärgert es ihn, wenn es dann im Landespokal gegen einen Achtligisten auch noch im eigenen Kasten klingelt. "Ich habe den Ehrgeiz, möglichst immer zu Null zu spielen. In den meisten Einsätzen für den HFC ist mir das auch gelungen. Aber ich bin schon sauer, wenn ich den Ball nach einem individuellen Fehler der Vorderleute aus dem Netz holen muss", sagt er. "Der Landespokal ist ein Pflichtspiel und nicht irgendein Freundschaftsmatch, bei dem der Trainer nach dem 8:0 mal ein Zeichen gibt, dem Underdog auch etwas zu gönnen."
Am Dienstag, am frühen Abend wird sich Jürgen Rittenauer wieder in sein Auto setzen und die 500 Kilometer zurück nach Halle düsen. Konzentriert und mit Geduld. Und in den beiden Trainingseinheiten am Mittwoch wird er Trainer Köhler aufs Neue beweisen: Hey, sieh her! Ich bin topfit und jederzeit bereit für einen Einsatz. "Darko und ich hatten in den letzten gut zwei Jahren das nötige Glück und sind von Verletzungen verschont geblieben. Doch es kann ganz schnell einmal etwas passieren. Dafür mache ich diesen Job", sagt Rittenauer.
Mit dem Gedanken, wie es für ihn weitergeht, wenn Oldie Horvat im nächsten Sommer noch eine Serie dranhängt, beschäftigt sich Jürgen Rittenauer nicht. "Die Frage kann nur Darko selbst beantworten. Aber bis dahin gehen auch noch neun Monate ins Land."