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Hallenser lieben Flussbaden Hallenser lieben Flussbaden: Warum die Stadt abrät, in der Weißen Elster zu schwimmen

Von Tanja Goldbecher 08.08.2020, 10:00
Beim Naturfreundeheim gab es eine weitere Badestelle.
Beim Naturfreundeheim gab es eine weitere Badestelle.

Halle (Saale) - Die Hallenser sind traditionelle Flussbader. Die frühesten Berichte reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. An die Tradition erinnert auch das Eichendorff-Denkmal auf der Saalepromenade. Es zeigt, wie der 17-jährige Lyriker Anfang des 19. Jahrhunderts beschwingt von einem erfrischenden Flussbad kommt und in Richtung Reichardts Garten schreitet.

Mit der rechten Hand hält er ein um seine Hüften geschwungenes Badetuch fest. Das Schwimmen im fließenden Gewässer ist bis heute beliebt. Aktuell diskutieren die DRK Wasserrettung und die CDU-Fraktion, welche sicheren Badestellen an der Saale ausgewiesen werden könnten. Ein Ammendorfer erinnert zugleich daran, dass auch das Baden in der Weißen Elster einst großen Andrang fand.

Ammendorfer Badestelle hatte sauberes Kiesbett und keinen Schlamm

„Ich und meine beiden Brüder haben unsere ersten Schwimmversuche in der Weißen Elster unternommen“, berichtet Erich Gadde. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg und auch danach hätten die Kinder oftmals sogar ohne Eltern in dem Fluss geplanscht. Gemeinsam mit dem Ortschronisten Jürgen Lange hat er die verschiedenen Badestellen an der Weißen Elster rekonstruiert. Sie erinnern sich an mindestens acht verschiedene Einstiegsorte in das kühle Flusswasser.

Die erste Badestelle befand sich in Osendorf direkt an der Mündung zur Reide. „Dort gab es sogar ein gemauertes Ufer mit einem Treppeneinstieg in den Fluss“, berichtet Hobby-Historiker Gadde. Es habe ein sauberes Kiesbett und keinen Schlamm gegeben, sodass viele Ammendorfer die Badestelle regelmäßig nutzten. Außerdem gab es davor eine große Liegewiese, die zum Verweilen einlud. Heute ist das Flussufer an dieser Stelle unter der ICE-Brücke verwildert.

Mehrere Badestellen in der Weißen Elster

Außerdem badeten die Anwohner in einem Seitenarm der Elster am Burgholz, einem Wäldchen der damals noch eigenständigen Stadt. Ammendorf wurde 1950 von Halle eingemeindet. Im Volksmund hieß die Badestelle „Saue“ und zeichnete sich durch ein flaches Ufer und einem seichten Einstieg aus. Aber auch am Naturfreundeheim Hopfenberg, nahe des heutigen Friedrich-Rothe-Platzes, gab es einen Steg für das Flussbaden.

Ein historisches Foto, das die Ammendorfer Heimatfreunde bis heute aufbewahrt haben, bildet die Badestelle ab. Drei weitere Ausgangspunkte zum Flussbaden befanden sich beim Bootshaus des Ammendorfer Kanuvereins, bei der ehemaligen Gaststätte „Elsterstrand“ und an der Schafbrücke. Eine Badestelle am Wasserwerk wurde schlicht „Fließe“ genannt.

Bekannteste Badestelle war jedoch das „Freibad Elstermünde“

Auch dort dokumentiert ein Schwarz-Weiß-Foto, wie viele Ammendorfer sich in dem Fluss abkühlten. Besonders war zudem, dass in einem Kanal warmes Wasser aus dem Werk abgeleitet wurde. „Andere Zeitzeugen haben mir berichtet, dass sich Kinder und Erwachsene dort sogar mit Seife gewaschen haben“, erzählt Gadde.

Die bekannteste Badestelle war jedoch das „Freibad Elstermünde“, das 1931 auf der Halbinsel zwischen Stillem Wasser und der Weißen Elster eröffnet wurde. Laut der Ortschronik ist das Freibad zu einem unbekannten Zeitpunkt vermutlich durch einen Blitzeinschlag niedergebrannt. „Damit haben die Ammendorfer Nudisten kein Freibad mehr“, heißt es in der Chronik. Anscheinend war also auch das Nacktbaden im Fluss beliebt.

Viele Industriewerke verschmutzten den Fluss mit ungereinigtem Abwasser 

Ab 1955 wurden dem Schwimmen in der Elster jedoch ein jähes Ende gesetzt. „Der Fluss war plötzlich viel zu schmutzig. Wir nannten ihn sogar Schwarze Elster“, berichtet Gadde. Vermutlich leiteten zu viele Industriewerke ungereinigtes Abwasser in den Fluss ein. Abgesehen von Produktionsstätten in Leipzig nutzen auch die Papierfabrik Radewell und das Ammendorfer Plastwerk den Fluss.

Im Gegensatz zur Saale hat sich das Baden in der Weißen Elster bis heute nicht wieder etabliert. Laut Bundesanstalt für Gewässerkunde leben zwar vermehrt Fische in dem 257 Kilometer langen Fluss, der in Tschechien entspringt und in Halle in die Saale mündet.

Stadt rät ab: Schlechte Wasserqualität in der Weißen Elster

Allerdings wird der chemische Zustand als schlecht eingestuft. Unter anderem wurde zu viel Quecksilber in dem Gewässer nachgewiesen. Die hallesche Stadtverwaltung betont, dass weder die Saale noch die Weiße Elster offizielle Badegewässer sind. Als Fließgewässer würden diese nicht auf Badewasser-Qualität überprüft.

Zudem stellten die entnommenen Proben nur eine Momentaufnahme dar. Die bakterielle Belastung schwanke stark, besonders nachdem es geregnet hat. Eine zuverlässige Einschätzung der Wasserqualität sei daher nicht möglich. Die Verwaltung rät deshalb generell davon ab, in Saale und Weißer Elster zu schwimmen und will weitere Warnschilder aufstellen.(mz)

Am Wasserwerk haben sich die Ammendorfer regelmäßig in der Weißen Elster abgekühlt.
Am Wasserwerk haben sich die Ammendorfer regelmäßig in der Weißen Elster abgekühlt.
Ammendorfer Heimatfreunde