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Hallenser führt erfolgreiche Konzertagentur Hallenser führt erfolgreiche Konzertagentur: Der Erlebnisverkäufer

Von Steffen Könau 12.12.2015, 17:35
Der Hallenser Matthias Winkler ist seit 25 Jahren Chef der Konzertagentur Mawi Concert, die inzwischen im ehrwürdigen Leipziger Haus Auensee residiert.
Der Hallenser Matthias Winkler ist seit 25 Jahren Chef der Konzertagentur Mawi Concert, die inzwischen im ehrwürdigen Leipziger Haus Auensee residiert. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Seit einem Vierteljahrhundert führt der Hallenser Matthias Winkler seine Konzertagentur Mawi Concert. Inzwischen ist der frühere Ein-Mann-Betrieb des studierten Landwirts einer der Platzhirsche im Osten.

Der Flieger ist zu spät. Irgendwas klemmt im Tower von Bremen, so dass der Privatjet nicht loskommt. Es wird langsam knapp für Bruce Paynes großen Traum, dessen Verwirklichung der Manager der britischen Rockband Deep Purple dem Hallenser Matthias Winkler ein paar Tage zuvor angetragen hatte. „Er möchte gern mal zu Porsche, das Werk besichtigen, eine Runde fahren, am liebsten das ganze Programm.“

Winkler, seit kurzem 50 Jahre alt und seit 25 Jahren im Geschäft mit Livemusik, rauft in solchen Fällen nicht die sorgsam zurückgegelten Haare. Er tut, was er am besten kann: Telefonieren. Strippen ziehen. Organisieren. Wünsche erfüllen. „Wir haben ihm das große Paket bestellt, jetzt muss er es nur noch schaffen, rechtzeitig einzufliegen.“ Winkler schmunzelt. Die großen Rocker, die Musiklegenden. Kleine Jungs auch irgendwie.

Es ist vielleicht die erste Lektion, die der Student der Pflanzenproduktion lernt, als er in den letzten Tagen der DDR von der vorgezeichneten Furche in die sozialistische Landwirtschaft abweicht, um Konzertveranstalter zu werden.

Ein bisschen Erfahrung hat er damals schon, „ich habe den Fakultätsball organisiert und neben dem Studium für unbekannte Gruppen Auftritte rangeschafft“, erinnert er sich. Genug, um auf den Geschmack zu kommen. Ein paar Tage nach dem Mauerfall geht Matthias Winkler ins Rathaus und beantragt eine Gewerbegenehmigung als Konzert-Promoter. Die Mitarbeiter sind ratlos, weil sie nicht wissen, ob so eine Erlaubnis überhaupt erlaubt ist. „Aber dann wurde das schnell auf ein Blatt Papier getippt und von dem Tag an hat keiner mehr gefragt, ob ich das darf.“

Kurt Cobain die Gage persönlich in die Hand gedrückt

Winkler holt Stars wie Billy Bragg, Santana und die Heavy-Metal-Megastars Manowar nach Mitteldeutschland. Er erlebt Triumphe und Pleiten, grandiose Konzertabende, aber auch schlimme Reinfälle, die die junge Firma beinahe umbringen. „Das Publikum war ausgehungert und viele Gruppen wollten den Osten mal selber sehen.“ Er selbst erlebt die Stars dadurch im Dutzend hautnah: „Ich habe Kurt Cobain von Nirvana die 2.000 Mark Gage für seinen Auftritt in Halle persönlich in die Hand gedrückt.“ Nach absolviertem Konzert, denn Winkler hatte zuvor schon Lehrgeld gezahlt, etwa bei den Wailers, der berühmten Begleitband von Bob Marley. „Die hab ich bezahlt, gekommen sind sie nicht.“ Fans sauer, Geld futsch. Und die Firma wackelt. „Kredite hat einem in diesem Geschäft damals keiner gegeben“, sagt Winkler, „und wer zu viele Fehler gemacht hat, blieb auf der Strecke.“

Der Hallenser war nicht darunter. Mawi Concert ist über all die Jahre gewachsen. Winkler hat Tina Turner und Mike Oldfield betreut, Elton John und Phil Collins, Paul McCartney und Herbert Grönemeyer. Am Anfang organisierte Mawi, wie alle den Konzertimpressario nennen, nur die Auftritte der Stars in Mitteldeutschland. „Aber dann haben wir angefangen, ganze Tourneen selbst auf die Beine zu stellen.“ Der Komiker Helge Schneider, nach mehr als zwei Jahrzehnten Zusammenarbeit ein guter Freund, verließ sich als einer der ersten Künstler voll auf die Firma des Hallensers. Der wiederum verließ sich auf seinen künstlerischen Riecher und brachte Gruppen wie Rosenstolz, Cindy aus Marzahn und Elsterglanz auf Tour. „Mit Rosenstolz haben wir ganz klein angefangen und dann ist das explodiert“, erinnert sich Matthias Winkler, der mit 20 Mitarbeitern die komplette Tourorganisation für Dutzende Künstler abwickelt. 350 bis 400 Auftritte organisiert Mawi Concert jährlich, jeden Abend wenigstens einen irgendwo. „Und wir machen das immer noch mit voller Leidenschaft“, sagt Winkler, der längst einer der Platzhirsche im Konzert-Osten ist.

Auf der nächsten Seite: Vom Händeschütteln mit Rocklegenden im Backstage und der Magie von Open-Air-Konzerten

Wer, was, wo und wie, das zu wissen sei das eigentliche Erfolgsgeheimnis in seinem Geschäft, sagt er. Ob eine Tour ein Erfolg wird, eine Halle ausverkauft sein wird - „es lässt sich vorher nicht berechnen“, sagt Winkler. Er vertraut bei solchen Entscheidungen auf eine Mischung aus Gefühl, Ortskenntnis und Beobachtung - und auf Mitarbeiter wie Silke Ehrlich und Dirk Götze, die seit Jahren an Bord sind. „Unser Publikum hier hat immer noch Nachholbedarf“, diagnostiziert er. Die DDR-Jahre mit strenger Rock’n’Roll-Diät wirken nach. „Deep Purple oder Status Quo ziehen immer noch unglaublich viele Leute.“

Das wird auch so bleiben, trotz des Anschlages auf die Pariser Konzerthalle Bataclan, da ist Matthias Winkler sicher. Konzertabende sind Leben, auch in einer digitalen Welt nicht reproduzierbare Erlebnisse, die länger halten als jede CD. Winkler ist eigentlich ein Erlebnislieferant, nicht nur für Purple-Manager Bruce Payne. Ein Erinnerungsorganisator und Fabrikant einmaliger Ereignisse. „Das ist es, was die Leute fasziniert und in die Klubs lockt.“

Seit drei Jahren betreibt der Unternehmer neben dem Konzertgeschäft mit der Parkbühne in Leipzig, der halleschen Händelhalle und dem Leipziger Haus Auensee auch drei eigene feste Spielstätten. „Einfach, weil wir dachten, dass wir das mit unserem Know How und unseren Verbindungen sehr gut können müssten.“ Im Auensee hat Winkler seit 1990 Konzerte veranstaltet, mit den Ramones, den Pet Shop Boys, Rammstein, Kraftwerk, Alice Cooper und zahllosen anderen. Einem ganzen Rocklexikon hat er hier im Backstage die Hände geschüttelt.

Da sind Erinnerungen in jedem Stein. „Als es zum Verkauf stand, musste ich ja sagen.“ Mawi hat Millionen investiert, modernisiert, die Kapazität auf 3.600 Plätze ausgebaut. „Jetzt ist es für mich der schönste Club in Deutschland“, sagt er über das hundert Jahre alte Haus, „sowas gibt es nicht noch mal.“ Keine Einzelmeinung offenbar. Bands, die hier spielen, schwärmen von der Magie der alten Mauern, vom Stuck über der Bühne und der einmaligen Atmosphäre. Die legendären Beach Boys spielen ihr einziges Deutschland-Konzert im kommenden Jahr nicht zufällig hier. „US-Künstler finden das Haus grundsätzlich grandios.“

Mawi 2016: Neil Young, Roxette, Elton John

Winkler fühlt sich in solchen Augenblicken bestätigt in seiner Strategie, hochklassige Künstler in stilvollem Ambiente zu präsentieren. Ein Ziel, dem er auch in der halleschen Händelhalle schon nahegekommen zu sein glaubt. Und das er nun demnächst auch mit der Freilichtbühne auf der halleschen Peißnitzinsel anvisieren will. „Wir sind in ganz Deutschland eine der Agenturen mit den meisten Open-Air-Konzerten“, beschreibt Matthias Winkler, „und wir haben auf der Parkbühne in Leipzig gezeigt, wie viele Menschen solche Abende anziehen können.“ Der Konzertveranstalter in ihm sieht die zuweilen kaum noch überschaubaren Massen von Fans, die auf den Wiesen rund um die Parkbühne liegen, wenn Suzanne Vega, Element of Crime oder Supertramp-Sänger Roger Hodgson singen, zwar mit einem weinenden Auge. „Aber die Atmosphäre ist einfach toll.“ Städte wie Hamburg hätten das erkannt. „Die sehen Livekonzerte schon lange als wichtigen Standortfaktor.“

Mit dem kann auch Mitteldeutschland wuchern, gerade im kommenden Jahr. Matthias Winkler schwärmt von Altmeister Neil Young, den er im Sommer auf die Bühne vor das Völkerschlachtdenkmal holen wird. Von Rod Stewart, der im Mai die Arena in Leipzig rocken wird. Von Elton John, A-ha und Heinz Rudolf Kunze, dessen Deutschland-Tour Mawi organisiert. Und von Roxette und Mark Foster, die auf der Peißnitzinsel eine neue Konzert-Ära einleiten sollen. Der Erlebnisverkäufer ist auch ein bisschen Wirtschaftsförderer. Konzerte locken Gäste, auch von weither. Die buchen Hotels, gehen einkaufen, essen, tun dies und das. Oder absolvieren wie Deep-Purple-Manager Bruce Payne ein Porsche-Probetraining. (mz)