Halle Halle: Wir sind Reformation!
Halle (Saale)/MZ. - Die andere Hälfte von Luther-Land, nämlich Thüringen, schwebt gerade in der "Wir sind Papst"-Euphorie. Immerhin hat das Oberhaupt der katholischen Kirche am Freitag ausgerechnet das Bundesland besucht, in dem eine evangelische Pastorin als Ministerpräsidentin regiert. Zugleich haben in Thüringens nicht besuchtem, sondern vom Papst nur überflogenem Nachbarland Sachsen-Anhalt die protestantischen Christen genügend Zeit, ihr Zehnjahres-Jubiläumsprojekt namens Reformationsdekade (besser bekannt als Luther-Dekade) voranzutreiben. Ein Projekt, das nicht als einmaliges Event, sondern in einer langen Folge von Veranstaltungen die Identifikation nicht nur mit der kraftvollen und in unserer Region geerdeten Figur Luther stärken soll, sondern auch mit dem, was er ausgelöst hat. Sich in irgendeiner Weise als dessen Teil zu fühlen, tut noch heute gut - und zeugt für ein höchst kreatives Lebensgefühl, das sich in freier Abwandlung des eingangs zitierten Slogans mit "Wir sind Reformation!" beschreiben ließe.
Kurz vor der Halbzeit der Luther-Dekade legt die Luther-Gemeinde im halleschen Süden jetzt einen Zwischenspurt ein - und ein kleines Kulturprogramm mit Reformationsthemen auf. Nächsten Freitag geht es los mit einem Gastspiel jenes Frankfurter Theaters, das mit seinem Musical "Martin L." (von Oystein Wiik und Gisle Kverndokk) zuvor schon mal die Erfurter Domstufen bespielt hat. Nun soll die inzwischen im Innenraum original-expressionistisch restaurierte Lutherkirche Schauplatz einer spektakuläre Aufführung werden.
In der Kirche ausgestellt werden sollen auch die Ergebnisse einer Ferienkunstaktion, die von den halleschen Künstlern und "Burg"-Absolventen Josephine Cyranka und Christian Wenzel für Schulkinder (bis 14 Jahre) angeboten wird. Im Mittepunkt steht die Lutherrose - und das Motto lautet ganz im Sinne Luthers auch "Tischreden - frei Schnauze".
Fast schon Tradition ist in Halle, dass der Gottesdienst am Reformationstag (31.10.) ökumenisch gefeiert wird: diesmal in der Luther-Gemeinde, wo der katholische Nachbarpfarrer, der Franziskaner Franz-Leo Barden, predigen wird. Dazu erklingen im Gottesdienst dann auch Teile aus Schuberts G-Dur-Messe.
Das Konzert "Klangwege zu Luther" spannt Tags zuvor einen musikalischen Bogen von geistlichen Klängen der Reformationszeit zu Gegenwartskompositionen. Veranstalter ist hier der Deutsche Komponistenverband.
Reformatorisch wirkt auch, was Pfarrerin Mechthild Lattorff und ihr Team in Sachen Öffnung der Kirche planen. Kirchen-Lichtspiele, sprich Kino, und Kirchentanz sollen diese in ihrem Baustil weit und breit einzigartige Kirche, wie Lattorff sagt, "auch über die Kirchennacht hinaus" öffnen. Dem Volk, dem Luther aufs Maul geschaut hat, soll so auch mal auf die Sprünge geholfen werden.