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Halle Halle: Viel Spaß in der Villa Kunterbunt

Von SILVIA ZÖLLER 11.07.2012, 19:19

Halle (Saale)/MZ. - Mirjam Kuhlow und Anna-Laura Schöne sind zwei taffe junge Frauen, die es schon 1992 faustdick hinter den Ohren hatten: Als Erstklässler der gerade neu gegründeten Montessori-Schule brachten sie Lehrer und Hortnerinnen öfter mal auf Trab. "Wir haben gerne in den Schultoiletten Blinde Kuh gespielt. Dabei ging auch schon mal ein Waschbecken kaputt", erinnern sich die beiden 26-Jährigen. Das war zwar in dem damals ohnehin maroden Schulgebäude in den Franckeschen Stiftungen kein Beinbruch - brachte aber natürlich Ärger ein.

Doch gerade der Charme des Verfallenen war es, was die beiden Schülerinnen an ihrer Grundschule faszinierte: "Es war für uns wie Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt", schwärmt Anna-Laura Schöne heute noch. Zusammen mit zwölf weiteren Kindern waren sie und Mirjam Kuhlow, die heute noch befreundet sind, die ersten Schüler, die an der Montessorischule unterrichtet wurden.

Aber natürlich waren es nicht nur die Kinderstreiche, die den beiden aus ihrer Schulzeit in Erinnerung geblieben sind. Vielmehr war es das Konzept der Montessori-Pädagogik, von dem sie heute noch profitieren: "Wir haben frühzeitig gelernt, uns selbstständig zu beschäftigen", sagt Mirjam Kuhlow. Und auch frei, kleine Vorträge zu halten, schon in der ersten Klasse referierte sie vor den Kindern - das Thema Halle war dran - über den Stadtgottesacker. "Dass wir uns untereinander geholfen haben, ist mir in guter Erinnerung geblieben", so Mirjam Kuhlow.

Doch bei aller Freude über das angenehme Lernen mussten sich die ersten Montessori-Schüler von Freunden auch gelegentlich die eine oder andere beleidigende Äußerung anhören: "Manche sagten, dass wir auf eine Dummenschule gehen", erinnert sich Anna-Laura Schöne. Denn damals konnten nur wenige verstehen, wie die Integration Behinderter in einer normalen Grundschule funktionieren soll. Heute wissen die beiden Ehemaligen jedoch, wie gut dieses Konzept aufgeht: Ein geistig Behinderter gehörte ebenfalls mit zum ersten Jahrgang - so wie auch heute im Schnitt mehrere Kinder mit erhöhtem Förderbedarf in jeder Klasse sind. "So haben wir von klein auf gelernt, damit umzugehen und keinen Bogen um Behinderte zu machen", sagt Anna-Laura Schöne. Besonders freuen sich die beiden darüber, dass dieser Mitschüler einen guten Schulabschluss und eine Ausbildung gemacht hat und heute einen Job in der Reisebranche hat.

Auch wenn für beide der Wechsel von der Montessori-Grundschule auf ein Gymnasium mit traditionellem Frontalunterricht eine große Umstellung war, so brachte das keinen schulischen Einbruch. Beide haben ein recht gutes Abitur in der Tasche.

Anna-Laura Schöne hat gerade ihr Jura-Studium beendet und beginnt jetzt ein Referendariat; Mirjam Kuhlow ist ausgebildete Ergotherapeutin und hat noch zusätzlich ein Studium "Soziale Arbeit" aufgenommen, nach dem sie gerne als Familienberaterin arbeiten möchte. "Andere aus unserem Jahrgang haben die unterschiedlichsten Berufe gewählt, auch eine Medizinerin ist darunter", sagt Anna-Laura Schöne, die dies als Beleg für die breite und praxisbezogene Ausbildung an der Montessori-Schule sieht. "Wenn wir uns treffen, erzählen wir einfach gerne von der alten Zeit in unserer Montessori-Schule", sagt Mirjam Kuhlow.