1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Halle/Saalekreis: Halle/Saalekreis: Drahtseilakt am Ende des Saaletals

Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Drahtseilakt am Ende des Saaletals

Von MICHAEL FALGOWSKI 02.09.2011, 16:17

ROTHENBURG/MZ. - Die stählerne Fachwerkbrücke, über die der Gleisanschluss des Rothenburger Drahtseilwerks jahrzehntelang führte, wurde mitten im ersten Weltkrieg gebaut. Und obwohl das nun schon 95 Jahre her ist, hielt das grazile Stahlgerüst zuletzt immer noch jene Lasten aus, die die Ingenieure damals versprochen hatten.

Dennoch wurde das Bauwerk über den Rothenburger Mühlgraben nun weggerissen. Grund: seine Tragfähigkeit reichte nicht mehr aus. Was ein gutes Zeichen ist, denn es heißt auch, dass die Produktion des Drahtseilwerkes am Ende des Saaletals brummt, die immerhin rund 350 Beschäftigten gut zu tun haben. "Wir müssen einfach größere Lasten transportieren können", sagt Christian Dietze. Er leitet das Werk der Westfälischen Drahtindustrie GmbH (WDI) in Rothenburg an der Saale. "Wir bekommen beispielsweise Stahl aus dem Saarland geliefert. Bei 600 Kilometern ist jede Tonne weniger in den Waggons eine Kostenfrage."

Am Freitag wurde deshalb anstelle der alten Brücke feierlich ein neuer 100 Meter langer und 50 Meter breiter Bahndamm eröffnet, der deutlich robuster ist. Auf dem neuen Anschlussgleis kann die Bahn nun das Werk mit bis zu 150 000 Tonnen Stahl und Walzdraht beliefern. Der massive Neubau lässt den Mühlgraben durch eine große Röhre zur benachbarten Saale fließen. Immerhin 740 000 Euro hat der Bahndamm gekostet. Über das Konjunkturpaket II haben Bund und Land die private Investition mit 300 000 Euro gefördert.

Deshalb war am Freitag auch Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) nach Rothenburg gekommen. Er tätigte den "Damm-Schnitt": Der Minister durchtrennte das obligatorische Band und gab so die Fahrt für eine nagelneue rote Lok der Bahn frei. Der Akt bot Anlass zu Grundsätzlichem: "Wir müssen als Land auf die Verkehrswege Schiene und Wasserstraße setzen", sagte Webel, auch mit Blick auf die Saale nebenan, die für große Güterschiffe nicht geeignet sei. Für Saalekreis-Landrat Frank Bannert (CDU) war die Eröffnung Gelegenheit, seine Maxime zu wiederholen, wonach das "Zentrum" des Saalekreises eben auch an seinen Rändern liege.

Für Antje Klecar, parteilose Bürgermeisterin der Stadt Wettin-Löbejün, ist die Damm-Investition in Rothenburg wichtig für die weitere Entwicklung der Werkes. "Wir sind im Saaletal nicht gerade gesegnet mit Industrie. Die WDI ist ein sehr wichtiges Unternehmen, als Arbeitgeber - und nicht zuletzt auch Gewerbesteuerzahler", sagte sie. Die Bürgermeisterin vergaß auch nicht, auf den Tag der offenen Tür im Werk am Sonnabend hinzuweisen. Dessen tieferer Anlass: Rothenburg feiert am Wochenende sein 1050-jähriges Bestehen.

Und die WDI feiert mit. Das große Unternehmen beruft sich auf eine Jahrhunderte alte Metallurgie-Geschichte im Ort. In den Draht- und Seilwerken Rothenburg werden heute Eisen- und Stahldrähte bis zu zwölf Millimeter Durchmesser gezogen. Zur Produktpalette gehören Profildrähte, Schweißdrähte Frei-Stromleitungen, Betondrähte und Baustahlmatten. Das Werk hatte im vergangenen Jahr einen Jahresumsatz von rund 122 Millionen Euro. Rund 20 Prozent des Umsatzes machen die Rothenburger mit dem Export. 1992 hatte die Muttergesellschaft WDI den ehemaligen VEB privatisiert.