Halle Halle: Odyssee mit 40 Grad Fieber
Halle (Saale)/MZ. - Vier Stunden können sehr lang werden, wenn man mit einem kranken Kind unterwegs ist. Das musste Katrin Menzer kürzlich am eigenen Leib erfahren. Denn so lange dauerte es, bis sie mit ihrer an Schweinegrippe erkrankten Tochter bei einem Arzt und schließlich mit der richtigen Medizin wieder zu Hause war.
Was war passiert? Katrin Menzers Tochter hatte plötzlich Fieber bekommen. Weil sich der Zustand des Kindes zunehmend verschlechterte, fuhr sie mit der Zehnjährigen aus ihrem Wohnort Dieskau zum Kinderärztlichen Notdienst ins Elisabeth-Krankenhaus Halle. Dort wurde das Grippemittel "Tamiflu" verordnet. "Allerdings konnten es mir die Ärzte nicht aushändigen, sondern gaben mir ein Rezept", schildert Katrin Menzer. Damit und mit ihrem ansteckenden Kind musste sie zu einer Nacht-Apotheke fahren, die in diesem Fall am Südstadtring lag. "Doch dort war das Mittel nicht vorrätig, so dass ich zu einer anderen geschickt wurde", berichtet Katrin Menzer.
Doch auch da - in der Lilien-Apotheke in der Bernburger Straße - konnte sie nur einen Teilerfolg verbuchen. Zwar gab man ihr die gewünschte Medizin, aber nicht in der vom Arzt verordneten Menge, "denn es war nicht mehr genügend Tamiflu vorhanden", schildert die Mutter. Nach vier Stunden war sie endlich wieder zu Hause. "Ohne eigenes Auto hätte ich nicht mal das geschafft", so Katrin Menzer. Zugleich fragt sie: "Warum kann der Ärztliche Notdienst in solchen Fällen nicht direkt die Medikamente an die Patienten ausgeben?
"Das ist nicht möglich. Denn der Ärztliche Notdienst wird gemeinsam von Ärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung organisiert. Unser Krankenhaus stellt dafür lediglich die Räume und Materialien für die Behandlung zur Verfügung. Dazu gehört allerdings nicht die Vorhaltung jeglicher Medikamente. Das wäre logistisch nicht umsetzbar", sagt Martin Luderer, stellvertretender kaufmännischer Direktor des Elisabeth-Krankenhauses. Bleibt die Frage, wie es sein kann, dass in Zeiten der Grippewelle in den Apotheken so ein wichtiges Medikament einfach ausgeht? "Was die junge Mutter erlebt hat, ist ein Resultat des zunehmenden Kostendrucks, den die Apotheker spüren", sagt Mathias Arnold, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes. "Aus ökonomischen Gründen können wir keinen großen Vorrat an Medikamenten anlegen. Denn wir müssen immer in Vorkasse gehen", erklärt er. Im Fall von Tamiflu bedeute das rund 35 Euro pro Packung vorzustrecken. Der Nachteil: Medikamente, die nicht an Patienten abgegeben werden, nehmen die Hersteller nicht wieder zurück.
Grundsätzlich würde aber niemand im Regen stehen gelassen. "Wenn das Medikament bei einer Notapotheke nicht vorrätig ist, dann setzen wir uns mit Kollegen in Verbindung". Im vorliegenden Fall seien unerwartet viele Patienten mit Schweinegrippe gekommen, so dass die Vorräte tatsächlich zur Neige gegangen seien. Um allen Patienten kurzfristig zu helfen, habe man sich daher entschlossen, nur so viel Tamiflu herauszugeben, dass jeder Betroffene übers Wochenende kommen konnte. Arnold äußerte Verständnis für die Nöte von Katrin Menzer. "Da sind viele ungünstige Faktoren zusammengekommen." Doch grundsätzlich, so meint er, sei die Nacht-Versorgung in Halle und dem Saalekreis mit vier geöffneten Apotheken noch sehr gut. Sein Fazit: "In anderen Regionen sieht das viel schlechter aus". ´