Vertrauen in Investor verloren Hochhaussanierung in Neustadt auf der Kippe? Die Stadt Halle zieht die Reißleine bei Scheibe C
Die Verwaltung hat das Vertrauen in den Investor der Scheibe C verloren und dreht den Geldhahn zu. Droht der Hochhaus-Baustelle jetzt das Ende?

Halle (Saale)/MZ - Wie ein riesiger Sortierkasten aus Beton ragt die „Scheibe C“ im Zentrum der Neustädter Passage in die Höhe. Das Hochhaus steht seit mehr als 20 Jahren leer. Die Außenfassade ist abgebaut, der Wind pfeift durch das Gebäude. Eigentlich sollte es schon seit 2020 saniert sein und Platz für 300 Wohnungen bieten, aber die Pläne wurden mehrfach nach hinten verschoben. Bis heute sind zwar immer wieder Bautätigkeiten zu beobachten, doch ob das Projekt tatsächlich noch fertiggestellt wird, ist unklar.
Hochhaus „Scheibe C“ in Halle-Neustadt: Bund und Stadt haben kein Vertrauen mehr in Investor
Zwei wichtige Geldgeber haben inzwischen offenbar das Vertrauen in den Investor verloren. Sowohl der Bund als auch die Stadt beenden ihre Förderverträge und drehen den Geldhahn zu. Der nächste Tiefpunkt im Streit zwischen dem Investor SLS Vermögensverwaltungsgesellschaft und der Stadt scheint erreicht.
Laut Stadtverwaltung habe der Investor „trotz umfangreichem Schriftverkehr und mehrerer Gespräche“ keine vollständigen und aktuellen Kosten der Maßnahme sowie keinen Nachweis der Gesamtfinanzierung des Vorhabens erbracht. Fristen seien überschritten worden und selbst ein nachträglich verlängerter Zeitplan könne höchstwahrscheinlich nicht eingehalten werden. „Ein weiteres Festhalten am Vertrag ist nicht mehr zumutbar“, sagt René Rebenstorf, Beigeordneter für Stadtentwicklung und Umwelt. Der Stadtrat soll deshalb noch in diesem Monat die Fördervereinbarung für beendet erklären, alles bisher gezahlte Geld soll zurückfließen.
Nach MZ-Informationen argumentiert der Bund ähnlich wie die Stadt und hat seinen Teil der Fördermittelvereinbarung widerrufen. Ein Gespräch mit der Stadtverwaltung dazu hatte hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Dem Investor fehlen dadurch nun fast acht Millionen Euro. Die Gesamtkosten für die Sanierung der Scheibe C hatten zuletzt über 32 Millionen Euro betragen. Aufgrund eines Statik-Problems waren sie mehrfach angestiegen.
„Ich verstehe nicht, warum die Stadt uns ständig Steine in den Weg legt“, sagt SLS-Sprecher Michael Schmidt. Er habe stets alle geforderten Unterlagen bereitgestellt und halte nach wie vor an dem Projekt fest. Die Gesamtfinanzierung sei sehr wohl gesichert. Dass Stadt und Bund nun keine Fördermittel mehr geben wollen, sei bedauerlich. Ohne das Geld werde dem Vorhaben die Grundlage entzogen. Das ursprünglich geplante Ziel, bezahlbare und rollstuhlgerechte Wohnungen zu bauen, sei so nicht mehr zu erreichen. Aber es werde weiter saniert. Der Rohbau komme gut voran und könne Ende 2023 schon bis auf das Treppenhaus fertig sein.
„Trotz aller Schwierigkeiten, die uns die Stadt macht, geht es weiter“, sagt Schmidt. Anstelle von günstigem Wohnraum für Auszubildende und Studenten würden in der Scheibe C dann künftig teurere Wohnungen entstehen. Ohne die Finanzhilfe von Stadt und Bund müssten die Kosten letztendlich eben auf andere Weise wieder reinkommen, so Schmidt.
Mehrere Stadträte weiterhin für die Sanierung des Hochhauses in Neustadt
Unter Stadträten hat Schmidt nach wie vor Unterstützer. Hendrik Lange (Die Linke) ist einer davon. „Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Stadtverwaltung keinen Schritt auf den Investor zugegangen ist, um die Situation abzuwiegen“, sagt er auf MZ-Nachfrage. Es müsse geprüft werden, ob nicht sogar möglicherweise finanzieller Schaden entstanden sei, weil die Stadt eventuell nicht korrekt gehandelt habe. „Die Scheibe C muss saniert werden, das ist klar“, sagt Lange. Die Verwaltung solle alles dafür tun, dass das auch passieren könne.
Auch Beigeordneter Rebenstorf sagt, dass die Sanierung des Hochhauses ein wichtiges Ziel für die Stadt sei. Die benachbarte Scheibe A sei ein gutes Beispiel dafür, wie das auch ohne Fördermittel funktionieren könne. Falls die SLS nicht in der Lage sei, das Bauvorhaben umzusetzen, gehe er von interessierten Nachfragen durch andere Projektentwickler aus. „Das überregionale Interesse am Stadtteilzentrum Neustadt und an den Scheiben hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, so Rebenstorf.
Die fünf Scheibenhochhäuser im Zentrum von Neustadt wurden zwischen 1970 und 1975 nach der sogenannten halleschen Monolithbauweise errichtet. Anders als herkömmliche Plattenbauten sind sie in ihren Grundrissen dadurch nur schwer veränderbar, weil sie um einen Kern herum gebaut wurden und lediglich die Außenwände aus Fertigteilen bestanden.

Während der Sanierungsarbeiten in der Scheibe C stellte sich heraus, dass die Tragfähigkeit der Decken möglicherweise nicht ausreicht, um die geplanten Wohnungen in Fertigbauweise einschieben zu können. Deshalb begann man damit, jedes einzelne Stockwerk zusätzlich mit Stahlstreben im Boden zu verstärken.
Eine Kostenexplosion und Zeitverzug waren die Folge. Bei der Sanierung der Scheibe A, die 2021 fertiggestellt wurde, hatte man auf diese Verstärkungsmaßnahme verzichtet, obwohl die Scheiben alle baugleich sind. Laut Stadtverwaltung sei die Statik der Scheibe A aber sicher.