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Halle Halle: Leiche bleibt unbeachtet

Von Jan Möbius 20.08.2010, 09:40

Halle/MZ. - Geschmacklos und makaber nennen die Anwohner in Halle-Neustadt das, was sich am Donnerstag dort rund um die Unstrutstraße abgespielt hat. Vor einem der Punkthochhäuser, die in der Straße stehen, wurde am frühen Morgen eine Frauenleiche gefunden. Laut Polizei war die 42-Jährige in selbstmörderischer Absicht aus der 18. Etage gesprungen. Allerdings wurde der leblose Körper lange Zeit von Passanten nicht beachtet. Viele dachten offenbar, dass es sich um eine Fernsehleiche handelt. Denn der MDR hatte für Donnerstag just am Schauplatz der Tragödie Filmarbeiten zum neuen "Polizeiruf" mit den Kommissaren Schmücke (Jaecki Schwarz) und Schneider (Wolfgang Winkler) angekündigt.

Beigeschmack bleibt

Und die fanden auch, nur wenige Meter vom Hochhaus in der Unstrutstraße entfernt, vor einem nahezu gleich aussehenden 20-Geschosser in der Bodestraße statt. Das Drehbuch: Ein junges Mädchen wird nach einem Sprung in die Tiefe tot neben einem Hochhaus gefunden.

"Ich finde es einfach unglaublich, dass haargenau diese fürchterliche Szene nur wenige Meter weiter nachgestellt und gedreht wird", empörte sich der Neustädter Michael Kramer. Und tatsächlich hat das, was sich rund um die Unstrutstraße auch gestern abspielte, einen Beigeschmack. Denn während vor dem Haus, aus dem sich die 42-jährige Hallenserin in den Tod stürzte, am Nachmittag ein kleiner Blumenstrauß und eine Kerze an die Tragödie erinnerten, bauten Mitarbeiter der Produktionsfirma nebenan eine ähnliche Szene auf: allerdings mit deutlich mehr Blumen und Kerzen.

Ob die Hallenserin die Story zum neuen Polizeiruf "Leiser Zorn", der nahezu komplett in der Saalestadt gedreht wird, kannte, ist aber offen. Anwohner in der Unstrutstraße vermuteten, dass die Frau durch Aushänge der Produktionsfirma zum Dreh zu ihrem Freitod inspiriert wurde. Allerdings, so Polizeisprecher Ralf Karlstedt, habe sie nicht in dem Hochhaus gewohnt.

Produzent bedauert Vorfall

Produktionsleiter Falk Baumgarten von der Filmfirma "Saxonia Media", die im Auftrag des MDR den Polizeiruf dreht, bedauerte gestern den Vorfall. Allerdings habe man bei Drehbeginn am Donnerstag um 10 Uhr von der Tragödie, die sich bereits kurz nach 6 Uhr ereignet hatte, nichts gewusst. "Wir erfuhren erst im Laufe des Tages, dass sich dieser traurige Vorfall am frühen Morgen ereignet haben sollte", sagte Baumgarten.

"An der Unglücksstelle in der Nähe unseres Drehorts waren beim Eintreffen des Teams keine Einsatzkräfte oder Rettungswagen zu sehen, so dass wir davon zu Drehbeginn keine Kenntnis hatten. Erst im Gespräch am Freitagmorgen mit einem Anwohner habe ich erfahren, dass es sich um eine junge Frau gehandelt haben soll", so Baumgarten.

Mitarbeiter des Filmteams statten den Drehort mit Blumen aus (FOTO: JAN MÖBIUS)
Mitarbeiter des Filmteams statten den Drehort mit Blumen aus (FOTO: JAN MÖBIUS)
CARDO