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Halle Halle: Kurzes Glück vor der Kamera

Von RALF BÖHME 30.01.2011, 18:37

Halle (Saale)/LEIPZIG/MZ. - Muttermilch macht satt. Und zufrieden. Und oft auch schläfrig. Doch in dem Moment, als es darauf ankam, war Karl Theo hellwach. So konnte sein Vater, der Zeitsoldat Alexander Schimpf aus Halle, dem am Neujahrstag geborenen Sohnemann zum ersten Mal in die Augen sehen - per Satelliten-gestützter Live-Schaltung über eine Entfernung von 5 000 Kilometern.

Schimpf ist Zeitsoldat und seit November im Afghanistan-Einsatz. Sein Stützpunkt befindet sich in der Unruhe-Provinz Feyzabad. Die Gegend gilt als die ärmste Region des Landes, ist aber auch die Nummer eins im afghanischen Drogenanbau.

Auf den Moment, ihren Sprössling in die Kamera zu halten, hatte Mutter Anja Schimpf sehnsüchtig gewartet. Das Familienbetreuungszentrum der Bundeswehr in Leipzig hatte die Begegnung, ein kostenloser Service für Angehörige von Soldaten im Auslandseinsatz, für Samstagnachmittag vorbereitet. Karl Theo - die Namensgleichheit mit dem derzeit obersten Dienstherrn des Vaters ist nach den Worten der Eltern reiner Zufall - schlummerte dem Ereignis ganz entspannt entgegen.

Ganz anders fühlte seine Mutter, die sich einen regelrechten Fahrplan für die geplante zehnminütige Begegnung am Bildschirm, zurecht gelegt hatte. Je näher die Zeiger der Uhr auf den Termin zurückten, desto größer wurde ihre Aufregung. Ursprünglich sollten auch ihre Eltern und weitere Begleiter am Gespräch teilhaben können. Letztlich aber fühlte Anja Schimpf wohl, dass sie diese kurze Zeit ganz allein mit ihrem Sohn und seinem Vater erleben wollte. Als die Frau die Tür danach wieder öffnete und mit dem Kind auf dem Arm aus dem Übertragungsraum kam, strahlte sie. Nach einem klitzekleinen Moment der Besinnung wurden Oma Stephanie und Opa Karl Lutz, die immer für ihren ersten Enkel da sind, leidenschaftlich umarmt. Dann liefen auch einige Tränen.

Oberstabsfeldwebel Reiner Lepak, der das Familienbetreuungszentrum leitet, sagte: "So etwas geht tief unter die Haut. Das Auf und Ab der Gefühle ist enorm. Wir erleben das oft hier." Aus diesem Grund hatten sich die Betreuer der Live-Schaltung auch kurzfristig entschlossen, die Sendezeit für Anja Schimpf ausnahmsweise zu verdoppeln. So blieben dem jungen Glück gut 20 Minuten zum Sehen und Reden. Lepak, der selbst einen Auslandseinsatz im Kosovo absolvierte und heute als Reservist im Saalekreis-Dorf Langenbogen lebt, erinnerte sich auch schon andere Live-Schaltungen. Mitunter drängten sich 20 Leute im Raum. In den Reihen einer Abordnung waren sogar Karnevalisten und Sportkameraden, die vor der Kamera wie im Stadion eine La-Ola-Welle zelebrierten.

Anja Schimpf erscheint da als das ganze Gegenteil: zurückhaltend, empfindsam und auch sehr besorgt - obwohl oder vielleicht gerade weil der Vater von Karl-Theo bereits zum vierten Male die Uniform außerhalb des Landes trägt. "Das ist kein Job wie jeder andere", sagt die junge Hallenserin. Sie wisse um die Gefahren. Doch immer daran denken könne sie nicht. "Das Kind ist für mich jetzt das Wichtigste." Und darauf solle sich ihr Mann, den sie vor über sieben Jahren kennen lernte, auch voll und ganz verlassen. "Ich hoffe, dass ihn das stark macht." Im März soll der Vater heimkehren. Anja Schimpf, die dem Soldaten erst im September auf den Hausmannstürmen in Halle das Ja-Wort gab, kann es kaum erwarten und zählt die Tage bis dahin.