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Halle Halle: Käsebier trotzt dem Alten Fritz

Von MICHAEL FALGOWSKI 13.09.2010, 18:04

HALLE/MZ. - Eine Antwort darauf wird es nicht geben, denn die Stadt lässt das Räuber-Jubiläum ungenutzt verstreichen. "Wir haben dazu keinerlei Veranstaltung geplant", sagt Detlef Stallbaum, Leiter des städtischen Kulturbüros. Auch beim Stadtmarketing spielte dieses Jubiläum bisher keine Rolle. Doch die Tourismus-Werber haben reagiert: Am Donnerstag, 23. September, um 17 Uhr ist eine Sonderführung rund um Halles Meisterdieb angesetzt. "Bisher wurde diese bestellte Führung nur Touristengruppen angeboten", so Stadtmarketing-Sprecherin Isabell Hermann.

Es war dunkel in Halles Straßen, als Käsebier 1710 geboren wurde. Erst 29 Jahre später erleuchten erste Öllaternen einige Gassen. Hier startete Käsebier seine Karriere. Am Großen Berlin setzte er sich, so geht die Mär, neben einen Bauern, der auf einen Holzstoß sitzend, Geld zählte. Der Dieb nagelte unbemerkt die Hose seines Opfers fest, nahm die Taler und machte sich aus dem Staub. Schon in jungen Jahren verließ er seine Geburtsstadt in räuberischer Absicht, die er mit sympathischer List verwirklicht haben soll. Doch er kehrte für einige Jahre zurück, heiratete und soll sich ungezügelter Spiellust hingegeben haben.

Der Dieb galt als intelligent und charmant, der aber mit einer Räuberbande sein Unwesen trieb. 1748 wurde Käsebier in Brandenburg gefasst, dies ist belegt, und zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Er saß in Stettin ein. Dies ist auch der Moment, in dem er die große Bühne betrat: Während des Siebenjährigen Krieges ließ Friedrich II. - bekannt auch als Alter Fritz - den Hallenser im Juni 1757 aus der Festung holen. Preußens König belagerte gerade Prag. Käsebier sollte in der österreichisch besetzten Stadt spionieren. Doch der Hallenser, der um seine eigene Sicherheit fürchtete, verschwand nach seiner dritten verdeckten Ermittlung. Egon Erwin Kisch hat über diese Episode eine Komödie geschrieben, "Die gestohlene Stadt". Der Stoff wurde von der Defa mit Manfred Krug verfilmt.

Um das Jahr 1762 soll Käsebier unter falschen Namen in Preßburg gelebt haben. Doch dann verliert sich seine Spur. Der Hallenser wurde mehrfach verhaftet, aber nie hingerichtet.

Doch wie ihn nun würdigen? Wären Käsebier-Festspiele in seinem Geburtshaus in der Mittelstraße 18 angemessen? Oder vielleicht ein öffentlicher Taschendiebstahl auf dem Markt zu Füßen des bronzenen, anderen großen Sohnes der Stadt. Doch diese Chance auf ein sicher charmantes Fest bleibt ungenutzt.