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Halle Halle: Ehemaliger SED-Chef Hans-Joachim Böhme ist tot

Von Steffen Könau 06.09.2012, 19:01

Halle (Saale)/MZ. - Seinen letzten großen Auftritt hat er an einem düsteren Novemberabend des Jahres 1989 auf dem halleschen Marktplatz. In der Stunde der Not tritt Hans-Joachim Böhme auf die Rathaustreppen und spricht zu tausenden Hallensern, die gekommen sind, um zu hören, wie es denn nun weitergehen soll mit der DDR.

Doch Böhme hatte keine Antworten mitgebracht. Der Mann, den alle "Achim" oder "der Erste" nennen, stammelt, verheddert sich in Sätzen, würgt an Formulierungen und wenn er Besserung gelobt, klingt es, als habe er nichts begriffen. Die Menschen buhen, spucken sogar. Der Mächtige auf den Stufen wirkt ohnmächtig.

Es ist das Ende einer Karriere, die den gebürtigen Bernburger aus der FDJ ins Zentralkomitee der SED, in die Volkskammer und seit 1986 sogar ins Politbüro geführt hatte. Böhme, promoviert zum Thema "Zur politischen Bewusstseinsbildung in der Periode des umfassenden Aufbaus des Sozialismus", ist kein Mitglied im engsten Führungszirkel der DDR. Aber ein Vollzeit-Funktionär und als solcher seit seinem Amtsantritt als 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung im Jahr 1981 der unumschränkte Herrscher im Chemiebezirk Halle.

Böhmes Wort ist Gesetz, was er anweist, wird getan. Der Mann mit der Betonfrisur und der randstarken Brille ist einer der Hardliner im Politbüro, er glaubt, dass Reformen das Ende der DDR bedeuten.

Dass sie sein eigenes Ende wären, muss Hans-Joachim Böhme geahnt haben. "Ich bekenne mich nicht zu irgendwelchen kriminellen Delikten, mit denen ich nichts zu tun habe", sagt er in der Wendezeit bei einem Bürgerforum. Kurz zuvor hat Böhme die Polizei noch gegen "Verbrecher und Krakeeler" in Marsch gesetzt und unter dem Motto "Rote Fahnen gegen weiße Kerzen" eine Gegendemonstration treuer Genossen anführen wollen.

Nun aber kommt alles raus. Ein Forsthaus im Blankenburger Forst, das sich Böhme als Jagdhütte hatte ausbauen lassen, bringt ihn für zwei Monate in Untersuchungshaft. Am Ende des Prozesses aber steht ein Freispruch, obwohl klar ist, dass Böhme 45 000 Mark in den Bau hatte umleiten lassen.

Nicht der letzte Gerichtstermin für den zurückgezogen in Halle-Neustadt lebenden Rentner. 2000 wird er nach einer Anklage wegen der Maueropfer freigesprochen, 2004 aber doch zu 15 Monaten Haft verurteilt. Böhme kommt auf Bewährung frei, aber im Gegensatz zu manchen seiner Ex-Genossen weigert er sich, Stellung zu seiner Tätigkeit in der DDR zu nehmen.

Der gestürzte Bezirkschef entflieht der öffentlichen Wahrnehmung durch Schweigen, er verteidigt sich nicht, klagt nicht an und schreibt nicht einmal ein Buch. Hans-Joachim Böhme ist fort, noch bevor er selbst wegdämmert in ein inneres Vergessen, das sich einer schweren Krankheit verdankt. Dienstagmorgen gegen sechs Uhr ist der ehemalige "Erste" in einem Pflegeheim gestorben. Böhme wurde 82 Jahre alt.