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Halle Halle: Drama an Rekordbrücke

Von KATRIN LÖWE 03.03.2010, 10:30
Einsatzkräfte der Feuerwehr arbeiten an der Unfallstelle zwischen Halle/Saale und Döllnitz, wo an der im Bau befindlichen ICE-Neubaustrecke ein Baugerüst und ein Kran umgestürzt sind. (FOTO: GÜNTER BAUER)
Einsatzkräfte der Feuerwehr arbeiten an der Unfallstelle zwischen Halle/Saale und Döllnitz, wo an der im Bau befindlichen ICE-Neubaustrecke ein Baugerüst und ein Kran umgestürzt sind. (FOTO: GÜNTER BAUER) CARDO

HALLE/MZ. - Klaus Mätzschker stehtfassungslos auf dem Grundstück seiner Nachbarnam Rande von Halle-Osendorf. Alles ist heuteanders als sonst. Ein Großaufgebot an Rettungskräftenpendelt zwischen dem Feldweg vor den Grundstückenund der Saale-Elster-Talbrücke für die neueICE-Strecke Leipzig/Halle-Erfurt. Jeden Taghaben Mätzschker und seine Nachbarn bisherden Bau der längsten Eisenbahnbrücke Deutschlandsverfolgt. Manchmal, wenn die Strecke im Auengebietpassierbar war, sind sie die rund 100, 150Meter von den letzten Häusern aus rübergelaufen,haben sich mit Bauarbeitern unterhalten. "Undjetzt", sagt er, "sehe ich, wie sie hier vorbeigetragenwerden. Das geht einem schon an die Nieren".

Es ist 10.25 Uhr, als bei der Polizeider Notruf von der Brückenbaustelle eingeht.Aus ungeklärter Ursache, sagt PolizeisprecherStephan Gramm, ist eine 1000 Tonnen schwereVorschubbrüstung zwischen zwei Brückenpfeilernweggebrochen und samt einem darauf stehendenKran und der Holzverschalung für die späterenBetonelemente rund 15 Meter in die Tiefe gestürzt.Elf Bauarbeiter wurden mit hinabgerissen.Ein enormer Rettungseinsatz läuft an, an demfast 120 Menschen beteiligt sind - BerufsfeuerwehrHalle, freiwillige Feuerwehren aus dem Saalekreis,Rettungsdienste und Deutsche Lebensrettungsgesellschaft(DLRG).

Feuerwehr-Einsatzleiter Frank Sossna ist um10.40 Uhr mit als Erster vor Ort. Einer derBauarbeiter sei ihm entgegengekommen, habevon mehreren Verletzten berichtet, erzählter. Für die Retter wird es ein alles andereals einfacher Einsatz: Mit Fahrzeugen istan die Unglücksstelle im Elster-Überflutungsgebietnicht heranzukommen. Ein ADAC-Hubschrauberist da, kann aber zur Bergung nicht eingesetztwerden. Eine Landung ist nicht möglich, einArbeiten aus der Luft zu gefährlich. Man habenicht riskieren wollen, dass durch den Windder Rotoren weitere Brückenteile abstürzen,sagt Polizeisprecher Gramm. So müssen dieRetter am Boden auf dem Weg zur Brücke durchzwei 20Meter breite Flutungsgräben, die mitWasser gefüllt sind. Die Abschnitte dazwischensind morastig, in Waathosen kämpfen sich dieMänner zu den Verletzten durch. Einige sindunter Trümmern und Gerüstteilen begraben.Zum Glück, sagt Sossna, können sie per Handbefreit werden. "Sonst hätten wir uns Gedankenmachen müssen, wie wir schwere Technik dorthinbekommen."Gegen 11.30 Uhr sind die ersten vier Verletztengeborgen, bis zu sieben, heißt es zu dieserZeit, seien noch in den Trümmern.

Alle, sagt Gramm, hätten Lebenszeichen vonsich gegeben. "Jetzt geht es um Zeit. DieOpfer liegen in der Nässe, wir können nichteinschätzen, welche Verletzungen sie haben."Und es ist kalt, fängt an zu schneien. Inzwischensind Feuerwehr-Schlauchboote vor Ort, um Verletzteüber die Gräben zu bringen. Dazu ein Luftkissenbootder DLRG. Anderthalb Jahre nach der Anschaffungist dies der erste Einsatz für das Spezialfahrzeug.Es ist geeignet für morastigen Grund, Feuerwehrleuteaber müssen ihm mit Sägen den Weg durch Sträucherdickichtfreimachen.

Gegen 12.20 Uhr wird der letzte Arbeiter aufeiner Trage abtransportiert. Wenig späterziehen Saalekreis-Landrat Frank Bannert (CDU)und Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD)am Unglücksort eine erste Bilanz. "Die Zusammenarbeitder Rettungskräfte hat hervorragend funktioniert",sagt Erben. Schon am Nachmittag können zweiVerletzte die Krankenhäuser in Halle und Merseburgwieder verlassen. Die hallesche Klinik Bergmannstrost,in die sieben Bauarbeiter eingeliefert wurden,spricht von zwei Schwerverletzten mit mehrerenKnochenbrüchen, einer wird noch auf der Intensivstationbehandelt. Die restlichen Leichtverletztenmit Prellungen und Kopfplatzwunden könntenspätestens am Freitag nach Hause.

Den Rettungskräften vor Ort ist Erleichterungdarüber anzumerken, dass das Unglück nichtnoch viel schlimmer endete. "Ich bin froh,dass es keine Toten gibt", sagt Landrat Bannert.Manche sprechen von einem kleinen Wunder.

Blick auf die ICE-Neubaustrecke bei Halle, wo am Mittwoch ein Kran umgestürzt ist. (FOTO: STEDTLER)
Blick auf die ICE-Neubaustrecke bei Halle, wo am Mittwoch ein Kran umgestürzt ist. (FOTO: STEDTLER)
CARDO