Halle Halle: Bücher hinter Gittern
Halle (Saale)/MZ. - "Wir haben bisher einfach zu wenig Platz", sagt die Bibliothekarin des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie. Derzeit sortiert sie Bücher, die Inventarliste ist lang: Die mit 120 000 Publikationen drittgrößte archäologische Fachbibliothek Deutschlands wird in Halles ehemaliges Gefängnis verlegt. Das fünfgeschossige Haus zwischen Kleiner Steinstraße, Rathausstraße und Hansering ist den Blicken der Passanten verborgen. Bis 1990 war das denkmalgeschützte Justizgebäude die Untersuchungshaftanstalt Halles. Diese ungewöhnliche Immobilie saniert das Land derzeit für 2,6 Millionen Euro. Das Geld stammt aus dem Konjunkturpaket II. Mitte Oktober steht die öffentliche Bibliothek des Landesamtes wieder allen offen - hinter Gittern.
Letzte Dunkelzelle der Stadt
1842 wurde das Haus als Teil des Inquisitoriats, dem Vorläufer der Staatsanwaltschaften in Preußen, gebaut. "Seit dem Umbau 1910 diente es zunächst als Weibergefängnis, der sich anschießende Bau als Männergefängnis. Später bildeten beide zusammen die Strafvollzugsanstalt II beziehungsweise die U-Haft", sagt Lutz Bloy, der für die Immobilien des Landesamtes zuständig ist.
Ein seltsamer Ort mit den alten Gefängnistüren für den Hofgang. Einer der Höfe wurde im 19. Jahrhundert als Hinrichtungsstätte genutzt. Von dieser beklemmenden Geschichte zeugen auch die langen Zellenreihen im angebauten Gefangenenhaus, das aber weiter unsaniert bleibt. Aber auch im Bibliotheksgebäude gibt es ein gruseliges Überbleibsel: Im Keller befindet sich die letzte Dunkelzelle der Stadt. Das fensterlose Loch unter eine Treppe gezwängt, wird bei geöffneter Zellentür von außen nur durch eine rote Lampe erleuchtet. "Die Dunkelzelle bleibt erhalten. Genau wie die Gitter an einer Seite der Bibliothek", sagt Bloy. Dies sei eine Forderung der Denkmalpflege, also des eigenen Hauses.
In der neuen Bibliothek werden derzeit 2,9 Kilometer Regale montiert. Das hallesche Architekturbüro Dietsch und Weber hat die ehemaligen Amtsräume sehr zurückhaltend, angemessen gestaltet. Besonders der Leseraum im Dachstuhl, aus dem eine Geschossdecke herausgenommen wurde, dürfte sich bei den monatlich rund 300 Nutzern der öffentlichen Bibliothek großer Beliebtheit erfreuen.
Auch Fassade wird saniert
Noch befindet sich die archäologische Bibliothek des Landesamtes aber in der Steinstraße 7. In das ehemalige preußische Landgericht war die Verwaltung des Landesmuseums samt Bibliothek 2006 eingezogen. In den nächsten Tagen beginnt übrigens auch die Sanierung der Fassade an dem Gerichtsgebäude für weitere 700 000 Euro. Mittelfristig soll auch das umfangreiche Archiv der Archäologie - jetzt im Keller - in das Gefängnis einziehen. Dessen Sanierung war umstritten. Aufgrund massiver Kritik des Landesrechnungshofes waren die Pläne unterbrochen worden. Vor allem wegen der Kosten. Der Vorschlag eines Neubaus hatte sich aber nicht durchgesetzt. "Auch wenn es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll erscheinen mag, wäre es doch eine sehr eigenwillige Auffassung, wenn ausgerechnet das Landesamt für Denkmalpflege ein denkmalgeschütztes Gebäude abreißen ließe", hatte der damalige Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz erfolgreich argumentiert.