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Es ist längst nicht selbstverständlich Es ist längst nicht selbstverständlich: Ein Bett für jedes Kind - Betroffene erzählt

Von Silvia Zöller 01.01.2020, 07:00
Anna Manser vom Schirm-Projekt (links) freut sich, dass sie Yvonne Schieritz und ihren acht Kindern weiterhelfen kann. In der Einrichtung in der Nähe des Bahnhofs wird die Hallenserin auch von Familienhelfern des Schirm-Projekts betreut.
Anna Manser vom Schirm-Projekt (links) freut sich, dass sie Yvonne Schieritz und ihren acht Kindern weiterhelfen kann. In der Einrichtung in der Nähe des Bahnhofs wird die Hallenserin auch von Familienhelfern des Schirm-Projekts betreut. Silvio Kison

Halle (Saale) - Eine kaputte Liege, ein Bett mit zerbrochenem Lattenrost, das Klappsofa: Das sind die Orte, an denen die acht Kinder von Yvonne Schieritz schlafen müssen. Das Geld reicht nicht für ordentliche Betten, das Jobcenter zahlt nicht dafür, dass jedes Kind sein eigenes Bett hat.

In vielen Familien ist es so wie bei Yvonne Schieritz: Jedes dritte Kind in Halle ist auf Sozialleistungen angewiesen. Das bedeutet auch, dass gerade in diesen Familien nicht immer ein altersgerechtes Bett für die Kinder da ist. Warum, erklärt Anna Manser vom Schirm-Projekt: „Das Jobcenter finanziert ein Kinderbett und nach dem dritten Jahr ein neues Bett, das dann bis zum 18. Lebensjahr halten muss.“

Es gibt viele „Kann“-Bestimmungen

Für die Zwischenzeit gebe es viele „Kann“-Bestimmungen, die selbst oft Experten wie Sozialarbeiter nicht richtig durchblicken. „90 Prozent unserer Klienten in der Familienhilfe können es nicht verstehen, was man beantragen kann und was nicht“, ist sich die Bereichsleiterin des Projekts sicher.

Aus diesem Grund hat Anna Manser gemeinsam mit dem halleschen Jugendsoziologen Frank Tillmann das Spendenprojekt „Jedem Kind sein eigenes Bett“ gestartet. Eine der ersten Familien, die nun aus der Spendenaktion sechs Betten erhalten werden, ist die von Yvonne Schieritz. „Kein Kind hat derzeit ein richtiges Bett“, sagt die Mutter von acht Kindern, von denen sechs zurzeit zuhause leben. Einige der Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren schlafen auf einer Ausziehcouch, andere auf einer ebenfalls defekten Bettliege.

„Das ist für die Kinder einfach eine schönere Situation“

„Der Unterhaltsvorschuss, den ich erhalte, und das Kindergeld werden auf die Zahlungen des Jobcenters angerechnet“, erklärt die alleinerziehende 36-Jährige. Deswegen hat sie jüngst etwa, als die Waschmaschine kaputt gegangen ist, nur ein Darlehen und keinen Warengutschein erhalten. „Eigentlich müsste ich deswegen jeden Monat für Neuanschaffungen wie ein neues Bett etwas zurücklegen“, erklärt Yvonne Schieritz. Doch dafür reicht das Geld bei acht Kindern eben auch nicht.

Ein gespendetes, gebrauchtes Bett, brachte die Familie auch nicht weiter: Die Hälfte der Teile fehlte. Umso glücklicher ist Yvonne Schieritz nun, dank der Spendenaktion nicht nur neue Betten zu erhalten, sondern auch noch Matratzen dazu, die ein Hersteller im Rahmen der Aktion ebenso spendet. „Das ist für die Kinder einfach eine schönere Situation“, sagt sie und ergänzt, dass auch sie selbst kein Bett hat, sondern auf einer Ausziehcouch schläft.

„Meine Elfjährige wünscht sich unbedingt einen Schreibtisch. Ich muss dafür sparen“

Auch sonst ist die Situation in der vielköpfigen Familie recht bescheiden: Kleiderschränke fehlen, ebenso Regale für die Kinder. Ein einziger Schreibtisch steht für die sechs Schulkinder zur Verfügung. „Meine Elfjährige wünscht sich unbedingt einen Schreibtisch. Ich muss dafür sparen“, sagt die Hallenserin. Doch auch das sei sehr schwierig.

Was in anderen kinderreichen Familien alles andere als Luxus wäre, nämlich eine Spülmaschine und ein Wäschetrockner, das ist für Yvonne Schieritz unerreichbar. Hier wird das Geschirr jeden Tag per Hand gespült, die Waschmaschine jeden zweiten Tag gestartet. Trocknen muss die Wäsche dann eben an der Luft. Rat und Hilfe holt sich die Hallenserin bei ihrer Familienhelferin, die ihr das Schirm-Projekt zur Seite gestellt hat und auch bei Ehrenamtlichen des Café 22 der Arbeiterwohlfahrt.

Spendenaktion „Jedem Kind sein eigenes Bett“

Hier hat sie unter anderem auch erfahren, dass Geschirrspüler und Wäschetrockner eben nicht zur Grundausstattung einer Familie gehört, die Hartz-IV-Leistungen bezieht.

Um hier Hilfe zu bieten, hatten Anna Manser und ihre Mitstreiter bereits im November zu der Spendenaktion „Jedem Kind sein eigenes Bett“ aufgerufen. Mindestens 15 Familien in Halle sollen so Schlafstätten erhalten - dafür sind etwa 5.000 Euro notwendig. Eingegangen sind bislang aber nur rund 3.000 Euro. „Es gibt genug Familien, die Bedarf haben“, weiß Anna Manser. „Es gibt Kinder, die schlafen lediglich auf Matratzen oder Väter, die zugunsten ihrer Kinder auf dem Sofa oder auf einer Baby-Matratze schlafen“, berichtet sie.

Teilweise hätten aber auch Hallenser, die Geld spenden wollen, Bedenken, dies über die Spendenplattform „Betterplace“ zu tun. Deswegen könne auch direkt an das Schirmprojekt für die Aktion „Jedem Kind sein eigenes Bett“ gespendet werden. „5.000 Euro sind noch viel zu wenig für den Bedarf“, sagt Anna Manser. Aber diese Summe sei ein erstes Ziel. Damit soll zunächst Familien, bei denen es existenziell ist, weitergeholfen werden. So wie der Familie von Yvonne Schieritz.

››Alle Infos unter: www.betterplace.org/de/projects/72192-jedem-kind-sein-eigenes-bett(mz)