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Erinnerungen an die PGH "Freiheit" Erinnerungen an die PGH "Freiheit": Eine Taktstraße für Trabis und Ladas

Von Claudia Crodel 03.05.2019, 12:00
Der Zeitzeuge Siegfried Polzihn mit seinem Meisterbrief
Der Zeitzeuge Siegfried Polzihn mit seinem Meisterbrief Silvio Kison

Bennstedt - In Bennstedt gibt es heute über 30 Handwerker und Gewerbetreibende. Das ist für den Ort - direkt an der B80 gelegen - keineswegs ungewöhnlich. Handwerk und Gewerbe haben im Dorf eine lange Tradition. Seit dem 19. Jahrhundert haben sich derartige Betriebe verstärkt angesiedelt. Auch zu DDR-Zeiten gab es viel Handwerk. Ein Betrieb, der weit über die Ortsgrenzen bekannt war, war der, der von den Bennstedtern einfach „die PGH“ genannt wurde.

Wenn der Bennstedter heute noch davon spricht, dann meint er ein Grundstück in der Eislebener Straße. „Am 1. April 1960 entstand dort die PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) „Freiheit“. Sie ging aus den Betrieben von Familie Schindler und Schulze hervor und hatte bei ihrer Gründung zehn Mitarbeiter. Es gab die Bereiche Schmiede und Kfz-Handwerk“, erzählt Bennstedts Ortsbürgermeister Werner Uhlmann.

Im Dachgeschoss wurden Büros eingebaut. Im Erdgeschoss Umkleide- und Aufenthaltsräume

Das Grundstück, auf dem es zuvor auch mehrere Wohnungen gegeben hatte, wurde umgebaut. „Im Dachgeschoss wurden Büros eingebaut. Im Erdgeschoss Umkleide- und Aufenthaltsräume für die PGH-Mitarbeiter sowie Duschen und Toiletten.“

Ab 1963 war Kurt Kahl der Chef der PGH, der alle Fäden in der Hand hielt und das viele Jahre lang. Siegfried Polzihn, der beim Behälterbau Nathan in Teutschenthal Schlosser gelernt hatte, zog 1963 nach Bennstedt, weil seine Frau dort wohnte. Er bekam eine Stelle als Schlosser im Bereich Metallbau. „Meine Frau und ihre Eltern wohnten auf dem PGH-Grundstück. Ich brauchte bloß die Treppe runter gehen und über den Hof, schon war ich auf Arbeit“, blickt er zurück. Die PGH entwickelte sich schnell zu einem leistungsstarken Betrieb.

PGH Freiheit: Zunächst stand der Metallbau im Mittelpunkt

Zunächst stand der Metallbau im Mittelpunkt, da es noch nicht so viele private Autos gab. Später war die PGH als Fachwerkstatt für Autos der Marke Trabant und ab den 80er Jahren auch für Ladas bis nach Halle bekannt. „Manchmal standen 50 bis 60 Trabis auf dem Hof, die alle repariert werden sollten“, erinnert sich Polzihn. „Wir Metallbauer haben übrigens für den Kfz-Bereich eine Taktstraße für die Reparaturarbeiten gebaut.

Darauf konnten sechs bis acht Autos zugleich repariert werden.“ Die Leistungsangebote der Bennstedter PGH waren bei stolzen Autobesitzern außerordentlich gefragt. Durchschnittlich sollen rund 6.000 Kunden jährlich ihre Autos zur Wartung und Reparatur gebracht haben.

Als der Bau von Halle-Neustadt begann, bekam der Bereich Metallbau der PGH große Aufträge

Als der Bau von Halle-Neustadt begann, bekam der Bereich Metallbau der PGH große Aufträge. „Wir haben für all die Neubauten die Treppengeländer gefertigt“, erzählt Polzihn, der 1973 seinen Meister machte und ab 1974 der Bereichsleiter des Metallbaus war. Er kann viel von damals erzählen, wie sie alle viel und fleißig gearbeitet, aber auch gern gefeiert haben. Ende der 60er Jahre sollte eigentlich eine große Fertigungshalle an das PGH-Gelände angebaut werden.

Die Gärten dort waren bereits enteignet worden. Doch dann bekam der Metallbau die Hallen an der alten Schachtanlage in Zappendorf. Dort gab es bereits eine große Krananlage. Ansonsten wurden die Hallen vorwiegend in Eigenleistung ausgebaut. Im Frühsommer 1969 zog der gesamte Metallbau dorthin. Neben den Treppengeländern, die auch in Neubaugebieten beispielsweise in Sangerhausen, Hettstedt und Quedlinburg verbaut wurden, wurden auch Einbauteile für die Betonwerke in Teutschenthal, Plötz und Gröbzig gefertigt.

Gewinn durfte aber nicht einfach an die Mitarbeiter verteilt werden

„Das hat viel Geld gebracht“, erklärt Polzihn. Der Gewinn durfte aber nicht einfach an die Mitarbeiter verteilt werden. „Wir haben viel für den Ort gemacht, Gaststätte und Kita ausgebaut und die Kegelbahn errichtet zum Beispiel.“

Ein besonderes Erlebnis, an das Polzihn noch heute manchmal denkt, waren die Arbeiten für die Hochstraße zwischen Halle und der Neustadt. „Wir haben die Geländer über die gesamte Länge gebaut. Die haben gehalten, bis die Hochstraße vor Kurzem saniert wurde“, erzählt er. Mit der politischen Wende kam Anfang der 90er Jahre für die PGH „Freiheit“ das Aus. Zwar hatte der Metallbau Aufträge, aber Trabis und Ladas wurden nicht mehr zur Reparatur gebracht. Auf dem Grundstück wurde jedoch weiter das Kfz-Handwerk betrieben. Heute ist dort eine freie KFZ-Werkstatt ansässig. (mz)

Blick auf die PGH in Bennstedt
Blick auf die PGH in Bennstedt
Silvio Kison