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Planetarium Ende für Planetarium in Halle (Saale): Der Abriss war nur ein Missverständnis

Von Steffen Könau 24.01.2018, 08:00
Eine Trümmerlandschaft als Zielort einer Völkerwanderung: Alle Anbauten des Planetariums sind abgerissen, das Hauptgebäude steht noch.
Eine Trümmerlandschaft als Zielort einer Völkerwanderung: Alle Anbauten des Planetariums sind abgerissen, das Hauptgebäude steht noch. Steffen Könau

Halle (Saale) - Der Bagger hat das Gebäude aufgerissen. Das Dach ist weg, der Vorbau liegt in Trümmern. Wie eine Völkerwanderung ziehen Abrisstouristen fotografierend vorüber an den ausgeweideten Innereien dessen, was eben noch ein geschütztes Baudenkmal war.

Das Planetarium „Sigmund Jähn“ in Halle ist nach fast 40 Jahren Geschichte. Ein Flutschaden, der abgeräumt wird.

Abriss vom Planetarium in Halle (Saale): Das Gebäude aus HP-Schalen stand einst für eine völlig neue Bauweise

Bleiben wird ein Stück Wiese, bleiben wird aber auch die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass ein einmaliges Schaustück für die „Ostmoderne“ und das weltweit einzige aus sogenannten HP-Schalen errichtete Planetarium einfach so abgerissen werden kann.

Schließlich geht es hier nicht um irgendein Zweckgebäude, das nach einem Gutachten bei der Flut 2013 zu einem „technischen Totalschaden“ wurde. Sondern auch um ein originäres Stück Stadtgeschichte: Der hallesche Architekt Herbert Müller hatte die hyperbolische Paraboloidschale in den 50er Jahren erfunden. Ende der 70er war es der Kanenaer Astronomielehrer Karl Kockel, der durchsetzte, dass in Halle ein Beispielbau für eine neue Generation Planetariumstechnik aus Jena errichtet wurde. Heraus kam ein Rundbau aus nur fünf verschiedenen Bauteilen, wobei jedes einzelne 28 mal benutzt wurde.

Für den Abriss vom Planetarium in Halle (Saale) hätte es durchaus Alternativen gegeben

Umso erstaunlicher ist der Abriss, als dass es durchaus Alternativen gegeben hätte. Insbesondere der Peißnitzhausverein hatte über Jahre hinweg versucht, im Rathaus für einen angemessenen Umgang mit dem erst 2015 unter Denkmalschutz gestellten Bau zu werben. Eine Sanierung der Gebäudehülle wäre laut Gutachten für zwei Millionen Euro möglich gewesen. „Die Initiative Schalendom hatte vorgeschlagen, als Träger einzuspringen“, sagt Ulrich Möbius vom Peißnitzhaus.

Planetarium in Halle (Saale): Ohne Abriss keine Fördergelder für Neubau?

Doch vergeblich. Die Stadtverwaltung berief sich auf eine vermeintliche Forderung des Landesverwaltungsamtes, das Fluthilfemittel für ein neues Planetarium am Holzplatz nur freigebe, wenn das Planetarium auf der Peißnitzinsel abgerissen werde. „Eine weitere Nutzung des Gebäudes führt, unabhängig von deren Art, zu einem Verlust der Fördermittel für den Neubau“, ließ sich die zuständige Beigeordnete Judith Marquardt zitieren.

Dagegen sagt Christian Feigl, Vize-Chef der Grünen im Stadtrat, in einer Beratung beim LVwA, an der er teilgenommen habe, habe es „Keine Gelder ohne Abriss“ geheißen.  Die Aussage sei  für ihn, der für eine Nachnutzung war, eindeutig gewesen. „Ohne Abriss keine Fluthilfe, man müsse sich für eines entscheiden“, erinnert sich Feigl an eine Auflage, die es nach Angaben einer Sprecherin des  Landesverwaltungsamtes (LVwA) so nie gab.

Doch in diesem Sinne informierte die Stadtverwaltung auch die Fraktionen des Stadtrates. Man plane einen „denkmalgerechten Rückbau“, den die Obere Denkmalschutzbehörde - das LVwA - schließlich auch genehmigte. Als Begründung diente einerseits die gutachterliche Feststellung des „technischen Totalschadens“. Andererseits das Verbot jeglicher Nachnutzung, das Erhalt oder Verkauf unmöglich mache.

Planetarium in Halle (Saale): War der Abriss am Ende nur ein Missverständnis?

Allerdings findet sich in der maßgeblichen Fluthilferichtlinie kein Passus, der eine solche Auflage rechtfertigen könnte. Und das zuständige Ministerium für Landesentwicklung hatte bereits im November 2014 versichert: „Der Ersatzneubau setzt nicht zwingend den Abriss voraus“. Nur sei eben eine Nachnutzung zu einem anderen Zweck nicht zusätzlich zum Ersatzneubau aus dem Fluthilfefonds förderfähig.

Im Stadtrat kam das anders an. Während die SPD-Fraktion keine Ausführungen der Verwaltung gehört haben will, nach denen ein Abriss für die Förderfähigkeit des Neubaus notwendig war, erinnert sich Tom Wolter von der Fraktion Mitbürger/Neues Forum deutlich. „Dies sei ein direkter und nicht auflösbarer Zusammenhang.“ Versuche seiner Fraktion, wenigstens die Hülle als Skulptur zu erhalten, „scheiterten an genau dieser Argumentation“. Auch von der CDU-Fraktion werden solche Aussagen bestätigt.

Doch das LVwA hat eigenem Bekunden nach nie einen Abriss gefordert, die Stadt also nur versehentlich den Eindruck erweckt, jede weitere Nutzung - also auch der Erhalt der Bauhülle - beende den Traum vom Neubau, für den die Stadt rund 14 Millionen genehmigt bekommen hat. Am Ende traf der Stadtrat dann die aus seiner Sicht alternativlose Entscheidung, das Denkmal zu opfern. Ein Stück Stadtgeschichte verschwindet. Bedauernswertes Opfer eines Missverständnisses. Die Sonnenuhr, die vor dem Eingang stand, wurde zuvor abgebaut und eingelagert. (mz)

Zehntausende Hallenser erlebten Karl Kockels Vorträge.
Zehntausende Hallenser erlebten Karl Kockels Vorträge.
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