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Ein kritischer Blick im historischen Kontext

10.11.2008, 21:16

HALLE/MZ/MSP/HJÜ. - Rektor Prof. Wulf Diepenbrock wies darauf hin, dass es an der Universität in diesen Tagen und Wochen mehrere Gedenkstunden und Jubiläen gebe - auch zu dunklen Kapiteln der Geschichte wie der Pogromnacht oder der Bücherverbrennung, an die am Sonntagnachmittag auf dem Universitätsplatz erinnert worden war.

Als Festredner der gestrigen Veranstaltung war der Jenaer Historiker Prof. Jürgen John gewonnen worden, der sich mit neuerer und neuester Geschichte Thüringens und des gesamten mitteldeutschen Raums beschäftigt. Er betonte, er werde keine würdigende Rede halten, sondern einen "kritisch-analytischen Fachvortrag". Ausführlich beleuchtete er Motive und historischen Kontext der Namensgebung. In Gang gesetzt worden sei sie schon vor der Zeit des NS-Regimes; der Name habe auch einen Beitrag zum Erhalt der Universität leisten sollen, die in den 1920er mehrfach zur Disposition gestanden habe, unter anderem wegen stark rückläufiger Immatrikulationen.

Datiert ist die Urkunde auf den 10. November 1933, den 450. Geburtstag Martin Luthers. Die Übergabe war jedoch bereits am 31. Oktober bei der Reformationsfeier erfolgt. Die AG Antifaschismus / Antirassismus im Studierendenrat der Universität hatte mit einem Flugblatt gegen die Veranstaltung protestiert, die aus ihrer Sicht "die Unterzeichnung der Namensurkunde durch Hermann Göring" feierte.

Den 75. Jahrestag der Namensverleihung hatten bereits gestern Vormittag Mitglieder der Bürgerinitiative "Historische Rathausseite" sowie Vertreter der Universität und der Stadtverwaltung zum Anlass genommen, am Gebäude Markt 24 - Galeria Kaufhof / Gaststätte "Rossini" - eine Bronzetafel anzubringen. Geschaffen im Auftrag der Bürgerinitiative von der Künstlerin Katrin Pannicke, bildet sie das alte Rathaus und die Ratswaage ab. Die Tafel soll daran erinnern, dass hier vor 435 Jahren Baubeginn für die Ratswaage war, die im Zweiten Weltkrieg Bomben zum Opfer fiel. Die Stadt hatte das Renaissance-Gebäude 1694 der Universität überlassen, die es 140 Jahre als Hauptgebäude nutzte.