Ein Jahr für nur 30 Minuten
HALLE/MZ. - Gerade hat er wieder ein seltenes Exemplar bekommen: Eine Dokumentation von 1936 über das Rittergut Sagisdorf in Reideburg. "Ein sehr gut erhaltener Film angesichts seines Alters", freut sich Stabenow, der daran fast nichts zu flicken hatte, so leicht gleiten die Schwarz-Weiß-Bilder über die Leinwand. Er freut er sich, wenn ihm Menschen ihre Streifen anvertrauen, um sie zu restaurieren oder um sie aufzuheben und vor Publikum vorzuführen.
Seine Leidenschaft für acht Millimeter treibt den 69-Jährigen seit 1953 um. Da hatte er das erste Mal eine Kamera in der Hand, eine AK 8. "AK", klärt Stabenow auf, heiße Aufnahmekamera, die Acht stehe für die Millimeterbreite des Films. Gedreht wurden damals vor allem Familienfeiern und Reisen. So wie heute auch, schließlich sei Filmen inzwischen fast ein Volkssport, so Stabenow, der nichts auf seine Schmalfilme kommen lässt - aller Digitalisierung zum Trotz.
Allerdings ist Stabenow nicht bei der Familienfilmerei stehen geblieben. Vielmehr hat der im Laufe der Jahrzehnte zum cineastischen Experten gewordene Hobbyfilmer das weitere Umfeld in den Fokus genommen. So entstanden ungezählte Streifen über Halle, seine Bewohner, über Firmen und Menschen, die dort arbeiten. In einem Betrieb hat Stabenow auch sein Handwerk gelernt - in einem Amateurfilmstudio, von denen es zu DDR-Zeiten viele gab. "Natürlich um den sozialistischen Arbeitsalltag, das ausgezeichnete Kollektiv festzuhalten oder Produkte der Betriebe zu bewerben", blickt er zurück. So aber seien unschätzbare Zeitdokumente ostdeutscher Wirtschaft entstanden.
Jahrzehntelang war Stabenow Mitglied im Amateurfilmstudio des Klubhauses der Waggonbauer. "Materialsorgen, was Filme und Kameras anging, hatten wir nicht" - selten in der Mangelwirtschaft DDR, aber Amateurfilmer wurden gut gefördert. Bekannt ist Stabenow vor allem durch seine Stadt-Filme. "Halle, so wie es war", heißt der erste Teil seiner Halle-Saga, die mit Erfolg zum Stadtjubiläum vorgeführt wurde. Da zeigt er zum Beispiel eine Hochzeit von 1940. Oder die Geschichte der Flussbäder an der Saale, Aufnahmedatum 1938. 1975 hat er in den Blauen Türmen gefilmt; der Abriss der Berliner Brücke ist ebenso auf Zelluloid gebannt wie die letzte Schicht im Gaswerk, das Erbe Riebecks oder die Geschichte des Hauptbahnhofs.
"Ich stelle gern filmische Vergleiche auf", sagt Stabenow. Soll heißen: hier die historische Aufnahme, daneben die heutige Situation. "Das ist ziemlich spannend." Das finden seine Zuschauer auch: Wenn im Kino Lux seine Filme laufen, kommen sie in Scharen. "Wenn es denen gefällt, hat sich der Aufwand gelohnt", meint Stabenow, der täglich ein bis zwei Stunden der Filmerei widmet.
Am winzigen Schnittplatz im Flur seines Hauses stapeln sich unerledigte Filmdosen. "Eine Rolle sind 30 Meter, bei einer Geschwindigkeit von 24 Metern pro Sekunde macht das drei Minuten Film", rechnet Stabenow vor. Für einen 30-Minuten-Film braucht er rund ein Jahr. Teil II von "Halle - so wie es war" ist in Arbeit. Am 21. November 2009 soll er über die Leinwand flimmern. Unterstützung erhält Stabenow vom Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums und von Postkartensammler Peter Polland.
Bereits im Januar werden Stabenows Film und das Buch "Glamour, Glanz, Geschwindigkeit?" zweier hallescher Autorinnen des Fliegenkopfverlags die 20er Jahre in der Saalestadt wiederaufleben lassen - ganz zeitgemäß mit Musik à la Comedian Harmonists.
Aufführung am 25. Januar, 18 Uhr,
im Kino Lux (Seebener Straße)