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Ein Instrument voller Rätsel

Von PETER GODAZGAR 01.01.2010, 17:01

HALLE/MZ. - Ein einmaliges Instrument ist das - und zwar im Wortsinn, denn bislang ist kein einziges Vergleichsinstrument bekannt! Zusammengebaut ist das Automatophon ein kleiderschrankgroßer Kasten, der selbsttätig Musik machen kann - quasi der MP3-Player des 19. Jahrhunderts. Nur etwas größer. Und ohne Kopfhörer.

Zwar gehört das Instrument zum Altbestand der großartigen Musikinstrumenten-Sammlung des Museums - aber erst jetzt haben die Restauratoren Zeit, sich dem Schmuckstück zu widmen. Und prompt stehen sie vor Rätseln.

"Das Automatophon wirft viele Fragen auf", sagt Werkstattleiter Hentzschel. Das beginnt bei Baujahr und -ort: Den Recherchen zufolge könnte das Instrument um 1830 in Böhmen gebaut worden sein. "Vielleicht", setzt Hentzschel hinzu. Verblichene Aufkleber in Tschechisch deuten zumindest darauf hin. Fest steht: Es handelt sich bei dem Automatophon nicht um ein "Karussell- oder Kneipeninstrument". Der Auftraggeber - unbekannt - wird kein armer Mann gewesen sein; dafür sprechen das Mahagoni-Furnier und die Elfenbein-Tastatur. Und der Erbauer - ebenso unbekannt - muss Experte und Tüftler gewesen sein.

Die Tastatur gehört zu den Teilen, die das Automatophon einzigartig machen. Das Instrument spielt nämlich nicht nur selbst eine Melodie - es kann auch von einer Person gespielt werden. Höchst ungewöhnlich ist ferner: Es gibt insgesamt sechs verschiedene Register - je zwei so genannte Labialregister, zwei Zungen- und zwei Harmoniumregister. "Eine Verbindung, die einzigartig ist", staunt Hentzschel. Je nachdem, wie man die Register kombiniert, ergibt sich eine große klangliche Vielfalt.

In den vergangenen acht Wochen haben Hentzschel und seine Kollegen Achim Haufe und Stefan Ehricht das Automatophon quasi in sämtliche Einzelteile zerlegt. Die Werkstatt ist komplett belegt mit einem vielhundertteiligen Puzzlespiel der Sonderklasse.

Jedes Teil wird gesäubert; fehlende Dinge müssen ergänzt werden. Verloren gegangen sind unter anderem sechs kleine Glocken, die im Oberteil des Gehäuses angebracht waren und mit separaten Anschlagtasten versehen waren, die per Hand bedient wurden.

Rund ein Jahr wird das Automatophon die Restauratoren beschäftigen, schätzt Hentzschel. Sämtliche Arbeiten werden genauestens dokumentiert. Im Computer kann man das Gerät bereits jetzt per Mausklick auseinander- und wieder zusammenbauen. Das Ziel: "Am Ende soll es aussehen, wie ein altes, aber gut gepflegtes Möbelstück", sagt Roland Hentzschel. Maße des merkwürdigen Instruments: etwa 2,50 Meter hoch, 1,30 Meter breit, 60 Zentimeter tief.

Vor allem aber soll das Automatophon wieder selbsttätig spielen. Darauf ist der Hentzschel besonders gespannt. Immerhin weiß der 49-Jährige schon, was zu hören sein wird: nämlich ein Teil der 1812 entstandenen Operette "Jean de Paris" des Franzosen François Adrien Boieldieu (1775-1834).

Fest steht wohl auch: Wenn aus dem Automatophon erst einmal jenes gepflegte Möbelstück geworden ist, dürfte es ein Star der Sammlung sein. Und Roland Hentzschel verspricht: "Dann wird das Automatophon auch für jedermann wieder zu hören sein."