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Ehemalige Poliklinik Mitte Ehemalige Poliklinik Mitte in Halle: 45 Wohnungen entstehen in der Tripperburg

Von Anja Falgowski 21.02.2019, 05:00
Nach vielen Jahren des Leerstands wird der historische Gebäudekomplex in der Innenstadt demnächst saniert.
Nach vielen Jahren des Leerstands wird der historische Gebäudekomplex in der Innenstadt demnächst saniert. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Goethe war auch hier. Der Geheimrat hat 1805 an einer Veranstaltung im Saal des Gasthofes „Zum Kronprinzen“ teilgenommen, damals ein repräsentatives Gebäude in der halleschen Kleinen Klausstraße, zu DDR-Zeiten schließlich als Poliklinik Mitte (Poli Mitte) genutzt.

Nach jahrzehntelangem Leerstand und mehrfachem Besitzerwechsel aber wird nun saniert, und Ende 2020 soll wieder Leben einziehen in die stadthistorisch bedeutenden Gemäuer. Die Bauart GmbH aus Leipzig, ein mit der Entwicklung und Sanierung von Denkmälern erfahrenes Unternehmen, hat das Gebäudeensemble vor zwei Jahren erworben.

„Tripperburg“ in Halle: Bis jetzt wurden die Außenmauern trockengelegt

Nachdem der Verkauf auf großes öffentliches Interesse stieß und erste Baumaßnahmen stattfanden, wurde es - scheinbar - ruhig im Haus. Geht es denn weiter? Und wenn ja, wie? Bis jetzt wurden die Außenmauern trockengelegt; vor allem aber dienten die vergangenen Monate der Bauforschung und damit einhergehend den Absprachen mit den Denkmalschutzbehörden. Erste Überlegungen müssten nun nachjustiert werden, sagt einer der drei Bauart-Geschäftsführer Kostja Künzel.

Erbaut wurde das Bürgerhaus in der Kleinen Klausstraße als Hofanlage 1532, genutzt als Wohnhaus und Gasthof mit Weinausschank mit Namen „Zum Kronprinzen“. Als „Stryk’scher Hof“ wurde es bezeichnet, nachdem der Jurist Samuel Stryk dort seinen Wohnsitz bezogen hatte. Im Saal fanden Theater- und Konzertveranstaltungen statt, 1835 war beispielsweise Clara Wieck zu Gast. 1836 führte der „Kunstverein für Halle“ hier eine Ausstellung durch.

1899 dann wurde das Haus verkauft und zum „Evangelischen Vereinshaus und Hospiz“ umgebaut, der Hotelbetrieb wurde noch weitergeführt. Im Ersten Weltkrieg diente der Komplex als Lazarett; 1921 erfolgten weitere umfangreiche Umbauten durch die AOK, die schließlich die gesamte Anlage als Poliklinik Mitte entwickelte.

Zu DDR-Zeiten erlangte das Haus als „Tripperburg“ traurige Berühmtheit. In einer Station der Poliklinik wurden schätzungsweise bis zu 5.000 Frauen zu Unrecht festgehalten und mit Medikamenten gefügig gemacht. Dass sie angeblich unter Geschlechtskrankheiten gelitten haben, entsprach oft nicht der Wahrheit. (mz)

In Kürze wolle das Unternehmen die Bauanträge stellen. Mit der Sanierung hofft die Bauart GmbH Mitte des Jahres beginnen zu können. 45 Ein- bis Fünf-Raum-Wohnungen sollen entstehen, zwischen 30 und 125 Quadratmeter groß. Die beiden alten Bäume im Innenhof bleiben erhalten, ebenso die zweite Toreinfahrt.

„Tripperburg“ in Halle: Auto-Stellflächen auf dem Grundstück selbst gibt es nicht

Auto-Stellflächen auf dem Grundstück selbst gibt es nicht; aber, so Kostja Künzel, umliegend seien so viele Parkmöglichkeiten vorhanden, dass man den Bewohnern dort welche anbieten könne. Um den Verkauf der Wohnungen sorgen sich die beiden Geschäftsführer nicht. Halle, sagt Kostja Künzel, sei ein so attraktiver Standort, dass es an Interessenten nicht mangele. Die Wohnungen sollen, geht alles nach Plan, schon vor Beginn der Sanierungsarbeiten verkauft werden.

Die Bauforschung in den Gebäudeteilen, die stückweise Entfernung der Einbauten aus Poliklinik-Zeiten und die archäologischen Grabungen im Innenbereich hätten wenig Spektakuläres zutage gebracht, sagt Thomas Helm, ebenfalls Bauart-Geschäftsführer. Einige Überraschungen gab es freilich schon, wenngleich sie nicht bauentscheidend seien. So hätten sich nach der Entfernung des Putzes alte, zugemauerte Eingänge gezeigt oder Bögen über den Fenstern. Oder, wie in der früheren Durchfahrt für die Pferdekutschen, später Haupteingang des Hauses, ein Türbogen als Teil der barocken Toranlage.

„Tripperburg“ in Halle: Im barocken Teil des Obergeschosses wurden bemalte Holzbalkendecken gefunden

Im barocken Teil des Obergeschosses wurden bemalte Holzbalkendecken gefunden. Ob diese restauriert oder aber gesondert geschützt werden, muss noch entschieden werden. Fest steht dagegen, dass das barocke Dachwerk erhalten werden soll, ebenso die Bodenfliesen aus der Gründerzeit und das Kreuzgratgewölbe im Eingangsbereich als Foyer. Und natürlich das angebaute Treppenhaus, das während der massiven Umbauten durch die AOK um 1920 entstanden ist. Die Bauhaussprache, sagt Thomas Helm, solle herausgestellt werden.

Überhaupt wolle man sich bei der Sanierung nicht auf eine Kernzeit versteifen, alle drei Epochen, die der Gebäudekomplex erlebt habe, sollten erkennbar bleiben. Renaissance, Barock und Moderne auf einen Blick! (mz)

Zwei alte Bäume im Innenhof bleiben bei der Sanierung erhalten.
Zwei alte Bäume im Innenhof bleiben bei der Sanierung erhalten.
Lutz Winkler
Das Treppenhaus ist geprägt vom Bauhausstil.
Das Treppenhaus ist geprägt vom Bauhausstil.
Lutz Winkler