Doppelte Premiere der Schiller-Bühne Doppelte Premiere der Schiller-Bühne: Unbewusste Empfängnis in Jugendstil-Ambiente
Halle/MZ. - Mit dieser Premiere wurde die Spielstätte der Schiller-Bühne in der Ulestraße eingeweiht. Sie befindet sich in einer bürgerlichen Wohnung. Die Zuschauer schauen von einem Teil des Salons auf die Bühne im anderen Teil. Dazwischen ist eine Jugendstil-Glastür geöffnet.
Das bürgerliche Ambiente war in dieser Premiere Programm. Gezeigt wird eine Familie zur Zeit der Napoleon-Kriege. Heidrun von Strauch ist die resolute Frau des Hauses. Sie hat sich die Rolle auf den Leib geschrieben. Bernd Ludwig ist der gestrenge Vater, der die Tochter aus dem Haus jagt. Denn die junge Witwe behauptet, nicht zu wissen, wie sie schwanger geworden sei: "Ich muss die heilige Jungfrau sein".
Das ist die Marquise von O. - sehr sensibel und differenziert von Sabine Stecker gespielt. Die Marquise gibt eine Anzeige auf, in der sie nach dem unbekannten Vater ihres Kindes sucht. Das überzeugt die Eltern von ihrer Unschuld. Als sich der Gesuchte - ebenfalls in einer Anzeige, meldet - um "sich ihr zu Füßen zu werfen", warten alle gespannt, wer wohl dieser mutige Nichtswürdige sein mag.
Und es ist ausgerechnet jener edle Retter, der die Marquise vor schlimmen Übergriffen während der Kriegshandlung bewahrt hat. Leidenschaftlich und voller Demut spielt Bartel Wesarg den "Teufel", wie die Marquise ihn nach der Entdeckung bezeichnet. Heidrun von Strauch hat sich in ihrer Fassung eng an den schwierig zu sprechenden Kleistschen Erzählton gehalten, von dem Fontane sagte, er sei von "einer gewissen frauenärztlichen Objektivität". So zeigen auch die beiden "Fachkräfte" im Stück, der Arzt (Claudius Aust) und die rüstige Hebamme (Karin Hartung) ironische Nachsicht angesichts der "unbewussten Empfängnis". Über diese ungewöhnliche Belebung eines Kleist-Texts war einer der Premierengäste besonders erfreut: Halles Kulturdezernent und Kleist-Experte Hans-Jochen Marquardt.
Weitere Vorstellungen: Freitag sowie am 11. März, jeweils um 20 Uhr, Ulestraße 1